Für Gerald John erweckt die Regierung nicht den Eindruck, als hätte sie sich damit abgefunden, dass die Verträge der AMS-Chefetage noch vor der Wahl verlängert worden sind.

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Die Umsturzgelüste waren bereits bei den Koalitionsverhandlungen erwacht. FPÖ-Stratege Herbert Kickl etwa soll regelrecht heiß gelaufen sein, weil sich die Führungsriege des Arbeitsmarktservice (AMS) nicht einfach per Handstreich austauschen ließ. Pech für alle Umfärber: Die Verträge der Chefetage waren rechtzeitig vor der Nationalratswahl im Oktober verlängert worden.

Vorwurf schlechter Arbeit

Die Regierung erweckt nicht den Eindruck, als hätte sie sich damit abgefunden. In trauter Einigkeit haben Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache den Jobvermittlern schlechte Arbeit vorgeworfen – und nehmen den Chef persönlich dafür in die Verantwortung. Nach Ostern muss AMS-Leiter Johannes Kopf im Kanzleramt antreten, um sich zu rechtfertigen.

Wollen ÖVP und FPÖ da einen unabhängigen Akteur, der jüngst die Sparpläne bei der Integrationsförderung kritisiert hat, hinausmobben oder zumindest disziplinieren? Aus der Wortwahl der Regierungsspitzen allein lässt sich dies nicht schließen. Weder Kurz noch Strache haben Kopf bisher persönlich angegriffen, und der "Rapport", zu dem Kopf antanzen müsse, ist das Wording der Medien, nicht des Kanzleramts. Nüchtern betrachtet ist es das gute Recht jeder Regierung, eine mit Steuergeld alimentierte Institution umzukrempeln – sofern es dafür sachlich fundierte Gründe gibt.

Sachlich fundierte Gründe bleiben aus

Doch genau diese bleibt die Koalition schuldig. Als einziger konkreter Beleg dient neben vagen Anwürfen ein interner Revisionsbericht aus dem AMS. Dieser hält ohne jeden Anspruch auf eine repräsentative Darstellung fest, dass manche Jobvermittler mit manchen Zuwanderern ihre liebe Not haben. Moslemische Mädchen stünden unter der Fuchtel von Patriarchen, Männer seien sich für gewisse Jobs zu schade ("Putzen ist Frauenarbeit"). Während es an Deutschkenntnissen und Bildungswille mangle, zeigten bestimmte Klienten Gewaltbereitschaft.

Auch wenn im Dunkeln bleibt, ob eher Regel oder Ausnahme: Man mag derartige Erfahrungsberichte schon "alarmierend" nennen, wie das Kurz tat. Doch was genau kann da das AMS dafür? Auch der leistungsfanatische Kanzler wird von Jobvermittlern nicht ernsthaft verlangen können, Migranten im Handumdrehen Angewohnheiten auszutreiben, die diese aus archaischen und kriegverrohten Gesellschaften mitgebracht haben. Übrigens: Die Prüfer stellten auch fest, dass justament die Betreuer in Wien, wo die meisten Zuwanderer leben, mehrheitlich "keine nennenswerten Probleme" meldeten. Das hat Kurz und Strache dann aber nicht so interessiert.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Dass Leiter Kopf wegschaue, lässt sich ebenfalls schwerlich behaupten, sonst hätte er die Untersuchung gar nicht in Auftrag gegeben. Der Bericht zeigt zwar schon auch auf, dass Mitarbeiter beim Umgang mit schwierigen Fällen mitunter mehr Hilfe benötigten – aber eine "Bankrotterklärung" des AMS, wie die Kronen Zeitung schrieb? Nach Lektüre drängt sich eine ganz andere Interpretation auf: Da bemüht sich die Regierung nach Kräften, ein Versagen zu konstruieren.

Die Argumentationslinie ist umso unglaubwürdiger, als die Koalition gleichzeitig Mittel zur Bekämpfung der Probleme streichen will: Hat das AMS künftig weniger Geld für das Integrationsjahr parat, wird es – gleich einer selbsterfüllenden Prophezeiung – tatsächlich öfter scheitern. Kopf hat davor bereits gewarnt; womöglich war genau das der Fehler, den er in türkis-blauen Augen begangen hat. (Gerald John, 26.3.2018)