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Ungewöhnlich hohe Polizeipräsenz vor einem Gästehaus, in dem in Peking üblicherweise hochrangige Nordkoreaner wohnen.

Foto: AP Photo/Mark Schiefelbein

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Ein weiteres Indiz: Ein Zug aus Pjöngjang. Indes hat er den Bahnhof von Peking wieder verlassen.

Foto: REUTERS/Jason Lee

Peking – Deutsche Unternehmensführer wie Daimler-Boss Dieter Zetsche und Joe Kaeser von Siemens durften am Montag nur durch den Südeingang Pekings riesiges Staatsgästehaus betreten, um am Schlusstag des China Development Forum teilzunehmen. Das malerische Nordareal war von innen wie von außen von Soldaten abgeriegelt. Spaziergänger wurden weiträumig zum Umkehren gedrängt.

Am späten Nachmittag brauste eine Kolonne schwerer Limousinen mit Polizeiwagen und Motorradeskorte heran, die zum Nordeingang und durch dessen Zugang fahren durfte. Sie kam vom alten Pekinger Hauptbahnhof, in den kurz zuvor ein gepanzerter Sonderzug von der Grenze Nordkoreas aus über die Yalu-Fluss-Stadt Dandong eingelaufen war. Für alle Züge auf der Strecke von Nordostchinas Städten wie Shengyang und Jilin nach Peking und umgekehrt wurde Verspätung angesagt.

Alle Spuren im Internet gelöscht

Von entfernten Gleisen aufgenommene Handyaufnahmen des Sonderzugs und solche von der zum Staatsgästehaus fahrenden Kolonne wurden sofort aus dem Internet gelöscht. In den Mikroblogs verschwanden alle Postings zu Stichwörtern wie Nordkorea, selbst zu Kims chinesischem Spitznamen "Jin Sanpang."

Pekings Öffentlichkeit bekam Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, der seit Montag auf seiner ersten Auslandsreise seit Amtsantritt – und dann auch noch in China – unterwegs sein soll, nicht zu sehen. Trotz Satellitenbeobachtung, Smartphones und grenzenloser Kommunikation wurde in den Blogs und Chats des chinesischen Internets ohne Beweise spekuliert, ob es sich bei dem Besuch um Kim oder vielleicht um seine Schwester handelt.

Doch das Prozedere der geheimen Anreise mit eigens aufgestellten Sichtblenden am Bahnhof von Dandong ist nur für nordkoreanische Führer vorbehalten. Sieben Mal kam vor Kim junior auf gleiche Weise auch dessen Ende 2011 gestorbener Vater Kim Jong-il nach China – das erste Mal im Jahr 2000. Auf seiner letzten Chinareise vom 20. Mai bis 26. Mai 2011 reiste Kim Jong-il genauso wie sein Sohn an. Erst nach nach seiner Rückkehr gaben dann beide Seiten bekannt, dass er zu einem "informellen Arbeitsbesuch" in China gewesen sei. Nordkorea veröffentlichte die Geheimvisiten nachträglich auch als Briefmarkenmotive.

Schweigen der Offiziellen

Wie gewohnt hüllte sich das Außenministerium am Dienstag in Schweigen, ebenso wie alle Staatsmedien. Nur die japanische Zeitung "Asahi Shimbun" wollte von angeblichen Augenzeugen erfahren haben, dass Kim seinen Peking-Besuch am Dienstag mit einer Visite des Technologiezentrums Zhongguancun begonnen habe. Genau das hatte sein Vater einst auch gemacht.

"Bisher ist alles nur ein Gerücht, für das es offiziell keine Bestätigung gibt", sagte der Nordkorea-Experte an der Parteihochschule, Zhang Liangui. Doch er meinte zugleich, dass es " sich sehr wahrscheinlich um Kim handelt". Es sei "durchaus möglich", dass Kim zwei Monate vor seinem geplanten Treffen mit US-Präsidenten Donald Trump auch sondieren wolle, ob es auf chinesischem Boden stattfinden könnte.

Auf den ersten Blick wäre es eine Wende für Kim, so wie er sie auch gegenüber den USA vollzog. Bisher hatte Pjöngjang darauf bestanden, dass der Atomkonflikt eine alleinige Angelegenheit zwischen Nordkorea und den USA sei. China solle sich raushalten. Falls Kim davon abkehre, sollte das für die USA kein Problem sein, sagte Zhang. Trump habe Chinas Staatschef Xi Jinping immer wieder aufgefordert, eine aktivere Rolle zu spielen. Kim wisse zugleich, dass sich China "freuen würde, Gastgeber zu spielen". Dies würde Peking einiges Gewicht als Vermittler verleihen. Ein Kim-Trump-Treffen in China würde aller Welt symbolisieren, wie wichtig Pekings Rolle sei.

Neue Hilfen als Bedingung

Die Frage sei, welche Bedingungen Nordkorea dafür stelle. Zhang meint, dass Kim vor allem darauf aus sei, weitere Hilfe von China zu erhalten. Er müsse nach den von Peking mitgetragenen härteren UN-Sanktionen seine Inlandsprobleme angehen. Dennoch wolle Kim seine Atomwaffen nicht aufgeben: Falls es ihm trotzdem gelinge, wieder Unterstützung zu bekommen, werde er seine atomare Aufrüstung erst recht nicht aufgeben. Die Bereitschaft dazu habe er den USA nur signalisiert, weil deren Druck übermächtig wurde. Wenn Peking also die Sanktionen abschwächt, ohne auf Denuklearisierung zu beharren, sei "das eine sehr schlechte Sache". Kim könnte dadurch "einen Widerspruch" zwischen China und den USA provozieren. (Johnny Erling aus Peking, 27.3.2018)