Ärzte und Kassen sind sich einig: Eine Zentralisierung des Gesundheitssystems ist nicht nötig.

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Wien – Der Fahrplan ist ambitioniert. Noch "vor dem Sommer" will Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erste Maßnahmen zur Reform der Krankenkassen vorlegen, wie er zuletzt in Interviews verkündete. Im Regierungsprogramm hat sich Türkis-Blau vorgenommen, die Zahl der Sozialversicherungsträger von 22 auf fünf zu reduzieren. Aus den neun Gebietskrankenkassen soll eine "Österreichische Krankenkasse" werden, weshalb in den Ländern und bei den Sozialpartnern seit Vorliegen des Koalitionspaktes eine Entmachtung befürchtet wird.

Ein erstes Abtasten zwischen Bund und Ländern fand nun vergangene Woche statt. Da trafen sich Vertreter der Länder mit Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Auch erste informelle Entwürfe geistern bereits herum, die die Sorgen der Länder aber nicht kleiner werden lassen. Von "Zwangsverstaatlichung des Gesundheitssystems" ist hinter vorgehaltener Hand die Rede.

Umstrittene Punkte

Um für die heiße Phase der Verhandlungen gerüstet zu sein, treffen sich diesen Freitag in Salzburg alle neun Krankenkassen mit Vertretern der Ärztekammer, um gemeinsam eine Resolution zu verabschieden. Einige Punkte sind Konsens: etwa Aufgaben in der Verwaltung zu bündeln, Leistungen weiter zu harmonisieren oder Mehrfachversicherungen zu beenden. Andere sind aber höchst umstritten, und folglich geht es in Salzburg auch darum, "rote Linien" für die Gespräche mit der Bundesregierung abzustecken, wie ein Verhandler sagt.

Die Hauptsorge bei den Krankenkassen ist, dass zu stark in die Selbstverwaltung eingegriffen werden könnte und die neue "Österreichische Krankenkasse" nicht mehr von den Sozialpartnern, sondern von der Regierung gesteuert wird, es also zu einer machtpolitischen Zentralisierung kommt. Zur Erklärung: Derzeit werden die Gremien der Krankenkassen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern bestellt, weshalb die FPÖ de facto gar keine Rolle spielt.

Regionale Verträge

Zweites Anliegen, das Krankenkassen und Ärzte deponieren wollen, ist die Vertragshoheit. Es soll also weiter möglich sein, auf regionaler Ebene Verträge zwischen Kassen und Ärztekammer abzuschließen, um so auf lokale Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen, wie Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres betont.

Und schließlich gibt es auch weiter massiven Unmut über das im Koalitionspakt formulierte Vorhaben, die Beitragseinhebung, die derzeit bei den Kassen liegt, an die Finanz zu übertragen. Die SPÖ-dominierte Wiener Gebietskrankenkasse hatte bereits vor einigen Wochen davor gewarnt, dass die Verlagerung dazu verwendet werden könnte, um jene Kassen, die budgetäre Vorgaben der Politik nicht erfüllen, mit Zurückhalten von Beiträgen zu sanktionieren.

Gegen Eingriffe

Der Widerstand geht aber keineswegs nur von den roten Kassen aus. Auch die ÖVP-dominierten Kassen in Tirol und Vorarlberg wehren sich gegen Eingriffe und haben dabei Rückendeckung der Landespolitik. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner ließ bereits wissen, dass man sich "nicht in die Tasche greifen lasse".

Auf Drängen der ÖVP-geführten Länder wurde bereits in den Koalitionspakt geschrieben, dass die "länderweise Budgetautonomie" gesetzlich festgelegt werden soll und die Rücklagen der Gebietskrankenkassen "im jeweiligen Bundesland" bleiben sollen. Wie das mit einer Zusammenlegung von Krankenkassen zusammenpassen soll, ist noch unklar.

Zur ÖVP-Westachse, die gegen Zentralisierungstendenzen mobilmacht, gehören auch noch Tirols Landeshauptmann Günther Platter und sein Salzburger Kollege Wilfried Haslauer. Letzterer, der sich gerade im Landtagswahlkampf befindet, agiert gemeinsam mit seinem Gesundheitslandesrat Christian Stöckl. Ihr Vorgehen ist eng abgestimmt mit der Gebietskrankenkasse sowie der Ärzteschaft.

Ein ÖVPler, der nicht namentlich genannt werden möchte, meint dazu: "Letztlich ist das auch Schwarz gegen Türkis." Und, so der Zusatz: Komme die Regierung den Ländern nicht entgegen, dann seien nach der "Salzburger Deklaration" weitere Schritte geplant. (Günther Oswald, 28.3.2018)