So mancher ortet beim Arbeitsmarktservice (AMS) Reformbedarf. Vor allem die Regierung soll so manche Schwäche entdeckt haben. Auch die Chefs Johannes Kopf und Herbert Buchinger denken über mögliche Änderungen nach. Wo die Stärken und die Schwächen liegen.

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DIE STÄRKEN

Integration: Wie erfolgreich ist Österreich etwa beim Thema Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt? Gibt es dafür einen internationalen Vergleichswert, woran Österreich gemessen werden kann? Nein, sagt Thomas Liebig, Migrationsexperte bei der OECD. Die Datenlage sei für die Berechnung einer Quote derzeit viel zu bruchstückhaft. Allenfalls Annäherungen seien möglich. Exakte Zahlen gäbe es derzeit nicht einmal für eine einzelne Gruppe wie etwa Syrer oder Afghanen. Was er aber auch über Österreich sagen kann: Die Bemühungen gehen seiner Einschätzung nach in die richtige Richtung.

Innovation: Österreich zählt für dem OECD-Experten Thomas Liebig zu jenen Ländern, die gerade nach der großen Migrationswelle im Jahr 2015 an das Thema Integration am Arbeitsmarkt innovativ herangegangen seien. Das Arbeitsmarktservice habe dafür auch die entsprechenden Instrumente entwickelt. Der Kompetenzcheck, den das AMS 2015 eingeführt hat, um die Qualifikationen der Zugewanderten zu erheben, gehört für Liebig etwa dazu. Wobei es aber ohnehin nicht darum gehen könne, Flüchtlinge so rasch wie möglich in den Arbeitsmarkt zu bringen. Vielmehr gelte es, sie nachhaltig zu qualifizieren.

Funktionalität: Wie gut funktioniert das AMS mit seinen fast 6.000 Mitarbeitern in dem, was es tut? Laut dem sogenannten PES-Report der EU-Kommission (einem Vergleich von Europas Jobvermittlern) aus dem Jahr 2016 ist das AMS im EU-Vergleich effektiv. Zusammen mit Estland und Flandern liegt Österreich in der Spitzengruppe.

Strategie: Gut angekommen ist der Strategiewechsel des AMS im Jahr 2014 weg von den umstrittenen Aktivierungsmaßnahmen wie Bewerbungstrainings hin zu nachhaltigeren Qualifizierungsmaßnahmen. Auch andere Länder wie Schweden und Deutschland etwa haben damals Fördermittel für Trainings kräftig reduziert.

Kundennähe: Mit seinen über 100 Regionalstellen ist das AMS nahe am Kunden, merken Experten wohlwollend an. 80 Prozent der Arbeitslosen kontaktieren es laut OECD-Outlook aus dem Jahr 2015, der Durchschnitt liegt bei nur zwei Drittel. Bei der Vermittlung von Jobs durch die Berater liegt das AMS etwas unter dem Schnitt.

DIE SCHWÄCHEN

Langsame Reaktion: Viele Köche versalzen die Suppe. Das hört man nicht nur in Umschulungen zum Gastronomen, das trifft auch auf das Arbeitsmarktservice selbst zu. Dass neben der Regierung auch die Kammern, die Gewerkschaft und Industrievertreter im Verwaltungsrat sitzen und zusammen entscheiden, kritisierte der Rechnungshof (RH) in seinem jüngsten Bericht. Das AMS ist wie ein vielköpfiger Behemoth, der nicht schnell genug auf "sich rasch verändernde Herausforderungen" reagiert. Die Prüfer empfehlen dem Bund, wieder das Ruder im Verwaltungsrat zu übernehmen.

Brückenfunktion: Unternehmen klagen oft über ungeeignete Bewerber, die das AMS schickt. Das AMS wünscht sich hingegen mehr Feedback von Firmen, auch für Sanktionen. Die Bereiche beim AMS für Arbeit geber und Jobsucher agieren getrennt. "Große Erfolge" hatte die Schweiz, nachdem die Arbeitslosenbetreuer in direkten Kontakt zu Firmen traten, schreibt die OECD. Aber Vorsicht: Das System braucht entsprechende Ressourcen. Ansonsten kann passieren, dass Mitarbeiter zu wenig Zeit für Arbeitslose haben, weil Unternehmen "häufig" betreuungsintensiver seien.

Töpferlwirtschaft: Moderne Managementideen, die nach der Ausgliederung im AMS Fuß fassten, wurden langsam wieder abgetragen. Fördermittel für bestimmte Zielgruppen, von Älteren bis niedrig Qualifizierten, sind budgetär starr festgelegt, kritisieren Experten. Dadurch ist es schwer geworden, auf regionale Unterschiede einzugehen.

Asylwerber: AMS-Co-Chef Johannes Kopf hat sich geärgert, als weniger Flüchtlinge als erwartet zu ihm kamen. Die Betroffenen hängen zu lange in der Grundversorgung fest. Von Kompetenzcheck bis zur Lehrstelle – das AMS darf erst aktiv werden, wenn das Asylverfahren positiv abgeschlossen ist. Dabei geht wertvolle Zeit verloren.

Digitalisierung: Mit einer Jobplattform im Jahr 2000 war das AMS ein Pionier. Der Erfolg blieb jedoch aus. Eine neue, 35 Millionen Euro teure Software samt automatischer Zuordnung von Stellen mit Kunden erlebte eine Pannenserie. Der RH kritisiert auch, dass es keinen Plan danach für das vom Algorithmus freigespielte Personal gibt.

(Leopold Stefan, Regina Bruckner, 27.3.2018)