Höhlendurchgang in einem Abschnitt des Höhlensystems von Ox Bel Ha in Mexiko. Das gespannte Sicherheitsseil neben dem Taucher zeigt den Weg zur Wasseroberfläche an.

Foto: HP Hartmann

Basel – Die mexikanische Halbinsel Yucatán ist bekannt für ihre geheimnisvollen unterirdischen Flüsse und Höhlen voller Naturwunder und historischer Relikte. Erst vor einem Monat sind Archäologen im größten Unterwasser-Höhlensystem der Welt, den beiden miteinander verbundenen Systemen Sac Actun und Dos Ojos, auf paläontologische Überreste und Funde aus der Maya-Zeit gestoßen.

Ebenfalls spannend ist das teilweise noch völlig unerforschte Leben dieser entlegenen unterirdischen Regionen: Kürzlich haben Wissenschafter dort ein Ökosystem entdeckt, das man so nicht erwartet hätte: Grundlage für das Leben im Dunkeln sind Methan und Bakterien, die sich davon ernähren. Ähnliche Ökosysteme waren bisher nur von Methanquellen der Ozeane und von sehr tiefen Seen bekannt. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Basel berichtete darüber in der Fachzeitschrift "Nature Communications".

Unter den kargen, kalkhaltigen Böden im nördlichen Yucatán-Gebiet findet sich ein weitverzweigtes Höhlensystem mit zahlreichen unterirdischen Wasserläufen. Die überfluteten Höhlen enthalten Schichten sowohl von Süsswasser aus abgesickerten Niederschlägen wie auch von Salzwasser aus dem nahen Ozean. Verbreitet sind auch die trichterförmigen Dolinen, die der Bevölkerung Zugang zu Süsswasser bieten. Die Mayas sahen die Dolinen als Eingänge zur Unterwelt an und nutzten die Höhlen teils auch als Kult- und Opferstätten.

Methan auf Wanderschaft

Die jüngste Studie über das riesige Höhlennetzwerk Ox Bel Ha im Nordosten der Halbinsel – dem wohl größten zusammenhängenden derartigen System überhaupt – gilt als die bisher detaillierteste Untersuchung ihrer Art. Die Feldexpeditionen und die Probenentnahmen wurden von Wissenschaftern aus den USA und Mexiko durchgeführt. Die Hauptautoren der Studie – David Brankovits von der Texas A&M University und John Pohlman vom United States Geological Survey (USGS) – mussten sich zuvor speziell im Höhlen- und Tiefseetauchen ausbilden.

Besonders an den Höhlen Yucatáns ist, dass das unter den Waldböden gebildete Methan abwärts wandert, sodass die methanreiche und sauerstofffreie Wasserschicht zuoberst liegt – in tiefen Seen ist es oft gerade umgekehrt. Helge Niemann und Moritz Lehmann von der Universität Basel konnten nun das Fundament der Nahrungskette in den Höhlen nachweisen: Methan als Energiequelle und Mikroorganismen, die sich davon ernähren. Ihre Erkenntnisse gewannen die Forscher durch Massenspektrometrie-Analysen der Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse an charakteristischen Fettsäuren von Höhlengarnelen, die Methan und Mikroorganismen aufnehmen.

Leben gedeiht in nahrungsarmer Umgebung

Krebstiere, die sich via Bakterien bis zu einem Fünftel von Methan-Kohlenstoff ernähren, treten in dieser sonst nahrungsarmen Umgebung in erstaunlicher Vielfalt auf. "Man wusste vorher sehr wenig über den Kohlenstoffkreislauf in diesen dunklen, abgeschotteten Höhlensystemen", meint Lehmann üpber die Ergebnisse der Studie. "Nun wird erklärbar, warum Lebewesen in solchen Höhlen in kristallklarem Wasser ohne sichtbare Spuren von Nahrung überleben können."

Zuvor war angenommen worden, dass der Großteil des organischen Materials in den unterirdischen Höhlen von Abfällen der Waldvegetation stammt, die von den Dolinen nach unten gespült wurden. Ähnliche Prozesse wie in den unterirdischen Wassersystemen der Yucatán-Halbinsel spielen sich auch im Bereich von Methanquellen in der Tiefsee sowie in manchen Seen ab, nämlich dort, wo sehr viel Methan aus den Sedimenten austritt und sich anreichert. (red, 30.3.2018)