Hat nach 100 Tagen in der Opposition viel Kritik und wenig Schmeichelhaftes für die Regierungsarbeit über: SPÖ-Chef Christian Kern.

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Wien – Eine "dürftige, dünne" Bilanz hat die SPÖ über die ersten 100 Tage der neuen türkis-blauen Bundesregierung gezogen. Parteichef Christian Kern kritisierte bei einer Pressekonferenz vor allem die "absolute Zukunftsvergessenheit" vor allem im Bereich Bildung, dass "Rechtsextreme salonfähig" gemacht worden seien und die Regierung Versprechen nicht einhält. Mit der roten Oppositionsarbeit ist Kern hingegen zufrieden.

"Die Bilanz nach 100 Tagen ist außergewöhnlich dürftig und dünn. Es ist wenig passiert, und das, was passiert ist, ist in vielen Bereichen ein massiver Rückschritt", stellte der Klubchef fest und verwies etwa auf die Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie oder die "Razzia im Innenministerium".

Kurz'scher "PR-Plan"

Während bei Schwarz-Blau I unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) bei aller Kritik jedenfalls ein "Veränderungsplan" erkennbar gewesen sei, verfolge die aktuelle Bundesregierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) nun "vornehmlich einen PR-Plan". Kern machte das am Beispiel des vorige Woche präsentierten Budgetplans von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) fest und erneuerte den Vorwurf, die Regierung habe sich hier "Spielgeld" gesichert.

Oppositionsführer Kern zieht BIlanz
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Zum Hintergrund: Drei Ressorts bekommen aus dem Budget Sondermittel, die detailliert nur in internen Budgetunterlagen auftauchen, nicht aber in den offiziellen Papieren. Demnach bekommt Kanzler Kurz (ÖVP) 2018 und 2019 je 15,4 Millionen Euro, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) verfügt über 7,5 Millionen pro Jahr. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) erhält 30 Millionen Euro pro Jahr, die hier als "politisch vereinbarte Zusatzmittel für die Landesverteidigung" angeführt werden.

In den Büros der Regierungsspitze wird der Vorwurf des "Spielgeldes" scharf zurückgewiesen. Im Bundeskanzleramt nennt man als Verwendungszweck "Projekte mit internationalem und historischem Bezug", außerdem sei die Summe niedriger. Im Büro des Vizekanzlers erklärt man die Summe mit der notwendigen Neuaufstellung des Ministeriums und administrativen Kosten sowie Kosten für ein geplantes Sportmuseum.

Zahlenspiele beim Auslandskatastrophenfonds

Für Kern bleibt übrig: "Der Gegensatz zwischen ausgegebenem Spargedanken und dessen Umsetzung könnte größer nicht sein." Wenn die Regierung dann "ertappt" werde, "stiehlt man sich permanent aus der Verantwortung", kritisierte Kern – etwa mit Verweis auf die zunächst angesagte und später revidierte Mittelkürzung beim Auslandskatastrophenfonds (AKF). Kern: "Wenn der PR-Schmäh nicht mehr aufgeht, findet man einen Verantwortlichen, an dem man sich abputzt, in dem Fall die Beamten." ÖVP-Chef Kurz hatte nach Kritik an den Kürzungen beim AKF erklärt, "dass hier auf Beamtenebene die Zahlen falsch eingetragen wurden". Letztlich gibt es die von ihm in Aussicht gestellte Aufstockung nur anlassbezogen. Budgetiert sind weiterhin nur 15 Millionen Euro (und damit um fünf Millionen Euro weniger als bisher), nur bei Bedarf würden weitere fünf Millionen Euro aus Rücklagen zur Verfügung gestellt.

Kern ortet "Retropädagogik"

Im Bereich der Bildung ortet Kern "Retropädagogik", so werden etwa die Mittel für den Ausbau der Ganztagsschule gestreckt, die Neue Mittelschule würde vom eigenen Minister (Bildungsminister Heinz Faßmann, ÖVP, Anm.) diskreditiert. Kern: "Diese Regierung pfeift auf die Talente, indem man sagt: 'Schau, dass du mitkommst – und wenn nicht, dann ist das dein Problem.'" Auch Diskussionen über Ziffernnoten oder Strafen fürs Schulschwänzen würden die Zukunftsfragen nicht lösen, sagte der SPÖ-Chef.

Auf die eigenen Lobbys habe man hingegen nicht vergessen. So werde etwa bei den Großbetriebsprüfern gekürzt, auch bei den Hoteliers sei man großzügig gewesen. Für Kern bleiben dabei "soziale Baustellen ohne Ende". Bei der Pflege etwa würden Gemeinden und Länder entweder alleingelassen – oder die Abschaffung des Pflegeregresses drohe zurückgenommen zu werden: "Das finde ich wirklich vorsätzlich."

Verschobene moralische Standards

Durch die ÖVP-FPÖ-Regierung komme es auch zu einer "Verschiebung von politischen und moralischen Standards immer weiter nach rechts", und "Rechtsextreme" in höchsten Positionen seien salonfähig gemacht worden. "Die Lektion, die diese Regierung lernen muss: Es ist leicht, Menschen gegeneinander auszuspielen, aber ungleich schwieriger, eine Gesellschaft zusammenzuhalten", gab er Schwarz-Blau mit auf den Weg.

Mit der Arbeit der SPÖ als Oppositionspartei hingegen zeigte sich Kern zufrieden, taumle die Regierung doch Woche für Woche in neue Probleme. Was den Tonfall betrifft, sieht er die Oppositionsarbeit als Vorbereitung für die nächste Regierungsperiode. Also verspricht Kern: "Wir werden nicht Opposition à la FPÖ betreiben", denn "Argumente werden nicht besser, wenn man sie brüllend vorträgt". Immerhin habe die SPÖ bei den Landtagswahlen zulegen können – "und das mitten im Honeymoon der Regierung". Auch die Aufstellung in der Parteizentrale sei "gut vorangekommen", sagte Kern.

Roter Weg zum BVT-U-Ausschuss offen

Zur weiteren Vorgangsweise der SPÖ in Zusammenhang mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und dem von den Roten angestrebten parlamentarischen Untersuchungsausschuss wollte sich Kern nicht in die Karten blicken lassen. Hatten die Sozialdemokraten vergangene Woche noch angekündigt, nach dem Abschmettern des roten U-Ausschuss-Antrages durch Türkis-Blau vor den Verfassungsgerichtshof ziehen zu wollen, heißt es jetzt, die weitere Vorgangsweise werde im April festgelegt. Kern betonte, dass es seiner Ansicht nach dabei nicht um eine juristische, sondern um eine politische Frage geht: "Wir wollen maximale Aufklärung." Kurz erkläre zwar, er wolle diesen U-Ausschuss, "in Wahrheit arbeitet man aber mit aller Kraft dagegen", glaubt Kern. (APA, riss, 28.3.2018)