Musketenkugeln zählen zu den häufigsten Funden in den Gräbern.

Foto: Novetus GmbH/Asfinag

Am Schlachtfeld von Wagram bisher einzigartiger Fund von Überresten einer Gamasche mit Knöpfen am Unterschenkel eines Soldaten.

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Auch Zeugnisse des Alltagslebens finden sich immer wieder bei den Soldaten: Taschenmesser mit verziertem Griff aus Bein.

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Bei einem der Soldaten fand sich ein Beutel mit Kupfer-Münzen. Es handelt sich um österreichische Kreuzer (Nominale 1, 9, 15, 30, eventuell auch 6) die vermutlich alle 1807 geprägt wurden.

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Glasfläschchen, die möglicherweise Medizin enthielten, waren ebenfalls unter den Besitztümern der Soldaten.

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Zwischen 1799 und 1815 versuchte der französische Kaiser Napoleon I. Bonaparte, wiederholt Herrschaft über Europa zu erlangen. Er stürzte den Kontinent in einer Reihe von Kriegen in ein Chaos, das in Brutalität und Blutigkeit nur mehr durch die Weltkriege des 20. Jahrhunderts übertroffen wurde. Das Kaiserreich Österreich unter der Herrschaft von Kaiser Franz I. (II.) war in der gesamten Zeit an den Kriegen beteiligt, das heutige Territorium Österreichs war während der Kriege der Zweiten (1799–1802), Dritten (1805) und Fünften Koalition auch wiederholt Kriegsschauplatz. Die historischen Fakten und Hintergründe dieser Zeit sind gut bekannt. Anders verhält es sich jedoch mit den archäologischen Zeugnissen.

Artefakte der Schlachten wie Waffen, Munition oder auch die Knochen von zahlreichen Schauplätzen der Napoleonischen Kriege kamen bereits seit dem 19. Jahrhundert zumeist durch Bauarbeiten, Heimatforscher, Sondengänger und seltener auch durch archäologische Forschungen zu Tage – im besten Fall finden sich diese heute in Heimatmuseen, häufiger vermutlich jedoch in "Privatbesitz". Eine systematische archäologische Erforschung der Schlachtfelder, wie sich dies in den vergangenen Jahren international als Forschungszweig etablierte, steckt in Österreich jedoch erst in den Anfängen. Neben den Forschungen am Schlachtfeld von Aspern 1809 über das hier im Archäologieblog bereits berichtet wurde, ist es besonders ein neues Projekt im Bereich des Schlachtfeldes von Wagram nordöstlich von Wien, das dies nun vorantreiben möchte.

Archäologischer Glücksfall

Das Schlachtfeld von Wagram liegt direkt entlang der geplanten Trasse der S8 Marchfeldschnellstraße, ein großflächiges Infrastrukturprojekt der staatlichen Infrastrukturgesellschaft Asfinag, mit dessen Bau 2019 begonnen werden soll. Der enorme Umfang des Projektes bedeutet eine deutliche Veränderung des Bodens und der Umgebung. Viele verschiedene Faktoren müssen daher bei der Planung berücksichtigt werden; einer dieser Faktoren ist der Denkmalschutz. Um diesem Rechnung zu tragen, werden seit 2016 archäologische Vorerkundungen durchgeführt; mehrere Verdachtsflächen konnten so definiert werden. Eine Bergung und Dokumentation der archäologischen Zeugnisse, durchgeführt nach den Richtlinien des Bundesdenkmalamtes, sind eine der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für das Bauvorhaben. Die Bergung und Dokumentation der archäologischen Funde wird von der Asfinag beauftragt und finanziert.

Ein Glücksfall für die Archäologie – die S8-Trasse verläuft über einer besonders interessanten Fundstelle, dem Schlachtfeld und dem österreichischen Militärlager von 1809.

Verlustreiche Schlacht

Im Februar 1809 erklärte Österreich – in der Hoffnung, Napoleon diesmal besiegen zu können –, einmal mehr den Krieg und begann damit den kurzen, aber ausgesprochen verlustreichen Fünften Koaliationskrieg. Nach mehreren kleineren Schlachten in Süddeutschland erreichte der Krieg einen ersten Höhepunkt mit der Schlacht von Aspern vom 21. bis 22. Mai 1809, in der Napoleon erstmals auf Land besiegt werden konnte.

Die Niederlage der napoleonischen Truppen bei Aspern war zwar ein schwerer Schlag, aber keine endgültige Niederlage. Napoleon war mit seinen Truppen nicht abgezogen, sondern zog sich in die Lobau zurück, um sich neu zu organisieren und zu verstärken. Die militärische Entscheidung sollte am 5. Juli 1809 bei Deutsch-Wagram, wo sich die österreichische Armee unter der Führung Erzherzog Karls in Stellung gebracht hatte, endgültig herbeigeführt werden. Die zwei Tage dauernde Schlacht wurde zur bis dato größten der Napoleonischen Kriege mit insgesamt bis zu 300.000 Soldaten. Erst am Nachmittag des 6. Juli rief Erzherzog Karl zum Rückzug, wenige Tage danach war der Krieg mit dem Vertrag von Schönbrunn für Österreich offiziell verloren. Die Schlacht von Wagram wurde durch die besonders stark zum Einsatz kommende Artillerie eine der verlustreichsten Schlachten der Napoleonischen Kriege. Schätzungen gehen von 40.000 Verlusten auf österreichischer und 34.000 auf französischer Seite aus.

Funde nah an der Oberfläche

Ein Schlachtfeld archäologisch zu untersuchen, bedeutet auch die Grabungsmethodik an die Befundsituation anzupassen. Die Funde am Schlachtfeld von Wagram befinden sich besonders nahe an der Oberfläche. Daher wird vor dem Abtrag der ersten Bodenschicht bereits eine intensive Untersuchung und Kartierung von Artefakten mittels Metallsonde und GPS durchgeführt. Bisher konnten so 8.000 Einzelfunde geborgen und kartiert werden: 2.000 Musketenkugeln, 400 Kartätschenkugeln, Granatsplitter und massive Kanonenkugeln, 1.000 Knöpfe, davon mehr als 300 französische mit Regimentnummern, 500 Münzen vom 16. Jahrhundert bis 1990, Gewehrteile und so weiter.

Die zweite große Kategorie von archäologischen Befunden am Schlachtfeld von Wagram sind die Massengräber, die sich ebenfalls, was bei archäologischen Grabungen eher selten ist, zwischen 20 und 50 Zentimeter unter dem gegenwärtigen Gehniveau befinden. Die 13 bisher dokumentierten Gräber sind einfache, runde und eckige Gruben, in denen zwischen ein und sechs Toten in unregelmäßiger Lage teils am Rücken, teils auch bäuchlings niedergelegt wurden, so dass eher der Eindruck einer hastigen Entsorgung der Toten an den Orten an denen sie fielen als einer regelrechten Bestattung entsteht. Ein solches Vorgehen war auf den großen Schlachtfeldern der Napoleonischen Kriege wohl Usus und wird auch in historischen Schilderungen erwähnt.

Foto-basiertes Modell des Massengrabes Objekt 19. Video: crazyeye/Novetus GmbH/Asfinag

Einzigartige Funde aus dem Soldatenalltag

Obwohl auch überliefert ist, dass die Toten vor der Bestattung oft ihrer Uniformen und Ausrüstung beraubt wurden, konnte bei den bisher dokumentierten Soldaten doch eine Reihe von Gegenständen gefunden werden, die sowohl auf Herkunft aber auch Soldatenalltag schließen lassen. Etwa Überreste einer Gamasche mit Knöpfen, ein Taschenmesser mit verziertem Griff aus Bein, ein Beutel mit Kupfer-Münzen oder Glasfläschchen, die möglicherweise Medizin enthielten.

Die sechs Skelette der französischen Soldaten dienten in der sogenannten Armee d’Italie (Regimenter Nummer 1, 8, 52 und 29), acht Bestattete im Zweiten Corps Oudinot (Regimenter Nummer 9, 96, 94 und 23). Durch eine Reihe von Funden kann teilweise bestimmt werden, welche der gefallenen Soldaten zu welcher Einheit gezählt werden können. Diese Bestimmung erfolgt an Hand der Funde, wie zum Beispiel Uniformbestandteile. Sehr wichtig ist es daher – insbesondere bei Massengräbern – auch die kleinsten Fundgegenstände den entsprechenden Individuen zuzuordnen.

Die Grabung ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber erste Zwischenergebnisse zum Schlachtverlauf und den gefallenen Soldaten sind bereits möglich. Auf Grund der Lage der Munitionsgegenstände lassen sich Bereiche mit intensiven Kampfhandlungen identifizieren, verlorene Stollen, Hufeisen und Wagenteile lassen auf alte Lagerwege und Infrastruktur, die für die Schlacht genutzt wurden, schließen. Was die Skelette über das Leben und den Tod der Soldaten aussagen können, darüber berichten Michaela Binder und Hannah Grabmayer kommende Woche im Archäologieblog. (Slawomir Konik, Alexander Stagl, 29.3.2018)