Michel Barnier hat eine Zauberformel. Wann immer der EU-Chefverhandler für den Brexit mit seinem britischen Gegenüber, Minister David Davis, zusammentrifft und sich der Presse stellt, spricht er sie aus. Wie ein Mantra, oft mehrfach: "Es wird keine Rosinenpickerei geben", sagt der Franzose dann, "da herrscht unter den EU-27 Einigkeit". EU-27, das ist die künftige Union ohne Briten.

Nebenabsprachen oder gar Sonderwege einzelner Länder, geheime Deals, das alles sei unmöglich, denn: "Die 27 Mitgliedstaaten sind sich völlig einig. Ich führe nur deren gemeinsames Mandat anhand der vereinbarten Leitlinien aus." Die britische Regierung solle sich "keinerlei Illusionen hingeben".

Barnier hat einen monotonen, langsamen Sprechstil, er scheint jedes Wort abzuwägen wie ein Notar. Das verleiht seinen Botschaften zusätzlich Schwere: Niemand solle den geringsten Zweifel daran haben, dass die EU-27 die Sache Brexit entschlossen durchziehen, sich dabei nicht spalten lassen.

Gegen Sonderinteressen

Wie haltbar ist dieser Wunsch, den die Staats- und Regierungschefs seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 noch bei jedem EU-Gipfel bekräftigt haben, sobald die britische Premierministerin Theresa May abgereist war? Wie sollen nationale Interessen unterdrückt werden, wenn es im Finale der Austrittsgespräche ums Eingemachte geht, etwa die gewaltigen Kosten und Lasten des Brexits?

Anlass für Uneinigkeit gäbe es genug. Jenseits des britischen Sonderweges steht es um Harmonie und Integration nicht gerade gut, nicht nur wegen der Erfolge EU-skeptischer Populisten, wie in Italien. Gegen Polen, das nicht im Euro ist und zu London enge Beziehungen pflegt, läuft ein Stimmrechtsentzugsverfahren.

Eines der größten Hindernisse beim Brexit ist, wie es mit der kleinen Republik Irland weitergeht, die von Handelsbeschränkungen besonders betroffen wäre, vom Problem der heute noch offenen Grenzen zum (britischen) Nordirland abgesehen. Der EU werden nach dem Brexit im Budget bis zu 14 Milliarden Euro fehlen, die London derzeit netto einzahlt. Viel Sprengpotenzial also. Trotz einiger Störversuche Londons hat die Einheit der EU-27 bisher dennoch gut gehalten. Barnier ist es gelungen, seit März 2017 bei seinen Auftraggebern, den Regierungschefs, bereits zwei Abänderungen der Leitlinien durchzubringen, zuletzt vergangene Woche. Seither steht der Brexit-Plan sehr konkret, May hat all dem zugestimmt. Der EU-Austritt kommt am 29. März 2019, dann folgt eine "Übergangsperiode" von 21 Monaten, in der Großbritannien alle bestehenden EU-Verpflichtungen einhalten muss, ohne EU-Mitglied zu sein. Das ist, wie EU-Verhandler sagen, schon die halbe Miete.

Es bleibe nun genug Zeit, um Großbritannien als möglichst engen Partner zu erhalten, was die Kosten und Lasten für alle in den EU-27 reduzierte. Kein schlechter Grund, um zusammenzubleiben. (Thomas Mayer aus Brüssel, 29.3.2018)