Die OLG-Richter bei der Pressekonferenz: Manfred Scaria vom OLG Graz, Gerhard Jelinek vom OLG Wien, Katharina Lehmayer vom OLG Linz und Klaus Schröder vom OLG Innsbruck (von links nach rechts)

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Jelinek warnte vor massiven Qualitätseinbußen.

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Was tun, wenn das Geld schon jetzt nicht ausreicht, alles teurer wird, Mieten und Reparaturen zu zahlen sind – und die Firma das Gehalt um ein Drittel kürzt? Diese Frage muss sich derzeit die Justiz stellen. Gerichte und Staatsanwaltschaften müssen massive Kürzungen hinnehmen. "Ein privates Unternehmen würde sagen: Gut, dann streichen wir eben Produkte aus unserer Palette. Aber das können wir nicht, wir sind die Justiz, wir müssen dasselbe machen, nur mit weniger Geld", sagt Gerhard Jelinek, Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Wien und damit Leiter des Sprengels, der rund die Hälfte aller Gerichte Österreichs umfasst.

Aufgrund der Budgetkürzungen im Justizsektor richteten die Präsidenten der Oberlandesgerichte eine Warnung an die Bundesregierung. Die Experten sehen den Rechtsstaat in Gefahr.
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Es war eine Art Premiere: Erstmals traten die Chefs der vier Gerichtssprengel, also quasi die obersten Manager aller Gerichte in Österreich, gemeinsam vor die Medien, denn die Lage sei ernst, sagt Jelinek. Obwohl 95 Prozent der Ausgaben in der Justiz Fixkosten seien, müsse man mit deutlich weniger Geld auskommen – ohne Qualitätseinbußen sei das nicht machbar.

Pensionierungswelle

Das aktuelle Budget sieht massive Kürzungen in der Justiz vor. Allein heuer werde man in den Richterkanzleien 82 Planstellen streichen müssen. Abgänge dürfen oft nicht nachbesetzt werden. Und das, obwohl sich die Zahl der über 50-Jährigen seit 2006 verdoppelt habe und die Justiz kurz vor einer Pensionierungswelle stehe – eine Folge stetiger Budgetkürzungen in den letzten beiden Jahrzehnten. Die Folgen würden für alle Menschen spürbar sein, warnt Jelinek: Verfahren – ob Scheidungen, Strafprozesse oder auch nur simple Eintragungen ins Grundbuch oder Firmenbuch – würden länger dauern.

Aber auch die Qualität der Arbeit drohe zu sinken. In der Justiz, deren Aufgabe es sei, "die Menschen vor Willkür zu schützen", sei das ein besonders heikles Unterfangen, sagt Manfred Scaria, Präsident des Oberlandesgerichtes Graz. Es schade auch dem Wirtschaftsstandort, weil längere Verfahren Investoren abschrecken und bereits hier tätige Unternehmer einschränken. Ein konkretes Beispiel: Ein Unternehmer, der eine offene Forderung einklagt und auf die Entscheidung so lange warten muss, dass der Geschäftspartner längst insolvent ist, fällt um den Lohn seiner Arbeit um.

Viel Arbeit

Die Kürzungen in der Justiz kämen noch dazu zu einem Zeitpunkt, wo die Justiz besonders viel Arbeit zu bewältigen habe: Wirtschaftsgroßverfahren wie die Causa Buwog, Jihadistenprozesse, aber auch die Großreform der Sachwalterschaft verlangen den Gerichten einiges ab. Dazu kommt, dass das Aufstocken der Polizei ein Mehr an Anzeigen bringen werde – die Gerichte würden in diesen Strafverfahren dann den "sicherheitspolitischen Flaschenhals" darstellen, warnt Scaria.

Besonders tragisch sei, dass auch beim Nachwuchs gespart werde – also bei den Rechtspraktikanten und Richteramtsanwärtern. Die hochselektive Richterausbildung koste viel Steuergeld, nun aber riskiere man, dass sich hochqualifizierte Jungjuristen wegen der langen Wartezeit auf einen Praxisplatz gegen die Justiz entscheiden und lieber in die Privatwirtschaft gehen. "Das ist so, wie wenn ich einen Fußballprofi jahrelang teuer ausbilde und ihn dann ablösefrei an einen anderen Verein vermittle", sagt Jelinek.

Kein Geld für Digitalisierung

Dem Justizminister machen die OLG-Präsidenten keinen Vorwurf: Josef Moser habe "alles versucht", glaubt Klaus Schröder, OLG-Präsident in Innsbruck. Es sei Finanzminister Hartwig Löger, dem das Aushungern der Justiz vorzuwerfen sei. "Der Minister sagt, die Digitalisierung bringt Rationalisierungseffekte. Aber wir bekommen das Geld für die Digitalisierung nicht", kritisiert Schröder. Dass die Justiz nun kaputtgespart werde, sei derart offensichtlich, dass sich der Verdacht aufdränge, "ob hier nicht mit Mitteln der Sparpolitik eine Justiz an die Kandare genommen werden soll" – da die Finanzen das einzige Druckmittel seien, um unkündbare und weisungsfreie Richter zu kontrollieren. (Maria Sterkl, 29.3.2018)