Jetzt dürfen wir uns also auf die Bilanz der Regierung nach 200 Tagen freuen. Leicht wird es nicht sein, den Termin zu erwarten, nach allem, was sie seit ihrer Angelobung der Nation im Blitztempo zu Füßen gelegt hat. Glaubt man dem Bundeskanzler, dann hat er in kürzester Zeit gewissermaßen einen Energieschutzring um Österreich gelegt, gegen den sich der einschlägige Wiener Versuch wie altes Regieren ausnimmt. Bei ihm lautete das so, wie er in diversen seiner Interviews – zum Beispiel Profil – aus gegebenem Anlass von sich gab: "Wir haben in den ersten Tagen einen Kurswechsel in entscheidenden Fragen zustande gebracht". Dass er dafür unter anderem den ersten Budgetüberschuss seit 1954 in Anspruch nahm, lässt sich zwar eher mit Wasseradern unter dem Finanzministerium begründen als mit dem Genius des Finanzministers, den der beispringende Vizekanzler mit dem Wissen jeder Hausfrau ausgestattet weiß, dass man nicht mehr ausgeben kann, als man im Börsel hat.

Andere hätten den Segen auf ein Florieren der Wirtschaft geschoben, der vor dieser Regierung eingesetzt hat, aber man muss eben Gespür dafür haben, dass es in Österreich mehr Dinge zwischen einer schwarz-blauen Regierung und ihrer rot-schwarzen Vorgängerin gibt, als trockene Ökonomie erklären kann. Was hilft die beste Wasserader, wenn ein Finanzminister kein Sensorium für sie hatte, dessen Fähigkeiten zwar reichen, Gazprom zu beraten, aber den hohen Ansprüchen eines Kurswechslers nicht gerecht werden!

Erdstrahlen zum Wohle der Bevölkerung lenken

Doch der Bundeskanzler hat seine Regierung nicht nur für den Kurswechsel gepriesen, sondern auch dafür, dass er in entscheidenden Fragen stattgefunden habe. Nur Politiker, die nicht verstehen, Erdstrahlen zum Wohle der Bevölkerung in die richtigen Bahnen zu leiten, würden unter solche Fragen etwa eine Reform des Staates, einen raschen Ausbau von digitaler Infrastruktur und einen Vorrang für Bildung statt für Überwachung verstehen. Denen ist eben nicht klar, dass im Vergleich zu solch strahlenfreien Zumutungen wahrhaft entscheidende Bedeutung einem Umbau des Arbeitsmarktservice für Regierungszwecke oder eine Eingliederung des Verfassungsschutzes in das freiheitliche Energiefeld zukommt.

Hier darf sich die Regierung rühmen, wenigstens einiges versucht zu haben, wenn auch unzulänglich. Konnte der Sturm auf das BVT schon nicht zu Pferde stattfinden, hätte ein Einsatz von Wünschelruten der guten Sache zweifellos ungetrübten Erfolg beschert und keinen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit offengelassen.

Aller Anfang ist eben schwer, doch diesem wohnt ein Zauberer inne. Nicht zufrieden mit bisher Gedachtem will der Bundeskanzler bald aus einer hauseigenen Energiequelle namens "Think Austria" schöpfen, geleitet von einer international tätigen Unternehmens- und Strategieberaterin. Und niemand sollte jetzt von parawissenschaftlichem Unfug sprechen – sie macht es ehrenamtlich. Vier Mitarbeiter, die es nicht ehrenamtlich machen, sind laut Kurier schon angestellt, aber wo es um einen Kurswechsel geht, soll Geld keine Rolle spielen, das man etwa bei der Mindestsicherung energetisch bequem einsparen kann. (Günter Traxler, 29.3.2018)