Schluss mit Bingo-Watching: Die Glücksshow mit Marie-Christine Giuliani und Dorian Steidl verspricht "zahlreiche Gewinnmöglichkeiten, Spaß und Spannung bis zur letzten Sekunde". Die schlägt dem Format Ende dieses Jahres. Die Medienbehörde sieht da mehrfach das ORF-Gesetz verletzt.

Foto: ORF/Günther Pichlkostner

Wien – Beim Aus für die Lotterien-Sendungen "Brieflos-Show" und "Bingo" im ORF spielte die Medienbehörde eine wesentliche Rolle: Sie hat vor wenigen Tagen entschieden, dass die beiden Sendungen und auch eine Lotto-Ziehung das ORF-Gesetz verletzt haben. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, der ORF kann noch dagegen Beschwerde einlegen – wie auch die versammelten österreichischen Privatsender, die sich über die Lotto-Formate bei der Behörde beschwert haben.

Medienbehörde: "Gesetzliches Verbot verletzt"

"Der ORF hat am 28. August sowie am 1. und 2. Oktober 2016 im Fernsehprogramm ORF eins mehrere Glücksspielsendungen in Kooperation mit den Österreichischen Lotterien ausgestrahlt. In diesen Sendungen wurde jeweils unmittelbar zum Erwerb von Losen beziehungsweise Teilnahmescheinen für Spiele der Österreichischen Lotterien aufgefordert beziehungsweise wurden Waren und Dienstleistungen der Österreichischen Lotterien beworben. Dadurch wurde das gesetzliche Verbot verletzt, wonach Sendungen mit Produktplatzierungen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete oder Pacht von Waren oder Dienstleistungen auffordern dürfen beziehungsweise wurde gegen das gesetzliche Trennungs- und Erkennbarkeitsgebot bei Werbung verstoßen."

Das muss der ORF seinem Publikum laut Entscheid der Medienbehörde Komm Austria auf den prominenten Sendeplätzen der drei Sendungen mitteilen, sobald die Entscheidung rechtskräftig ist.

Puls 4, Servus, Sky

Über diese und weitere Lotto-Formate haben sich alle größeren in Österreich aktiven Privatsender beschwert: Puls 4, ProSieben, Sat.1, das Red Bull Media House mit Servus TV, Sky Österreich, Schau Media sowie die RTL-Vermarkterin IP Österreich. Auch sie können gegen den Bescheid noch Beschwerde einlegen – denn die Medienbehörde hat ihnen nicht rundum recht gegeben.

Die Privatsender beschwerten sich auch über das sommerliche Geldduschformat "Money Maker", da hatte die Behörde nichts zu beanstanden. Dieses Format will der ORF wie berichtet jedenfalls diesen Sommer fortsetzen, ein Aus wie für "Bingo" und "Brieflos-Show" mit Jahresende lässt sich bisher nicht absehen.

Verbotener redaktioneller Einfluss

Die Privatsender beanstandeten an den Sendungen aber mehr als Produktplatzierung, Kaufaufforderung und mangelnde Trennung von Werbung und Programm. Sie sahen auch verbotenen Einfluss eines Werbeauftraggebers auf den redaktionellen Programminhalt (Paragraf 14, Absatz 10, ORF-Gesetz) oder den Programmplatz, der "die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit beeinträchtigt" (Paragraf 16, Absatz 5, Ziffer 1). Zudem Paragraf 17, Absatz 6, der besagt: "Die Gestaltung von Sendungen oder Sendungsteilen nach thematischen Vorgaben Dritter gegen Entgelt ist unzulässig. Die Ausstrahlung einer Sendung darf nicht von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass ein Beitrag zur Finanzierung der Sendung geleistet wird."

Solchen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung sieht die Behörde in ihrer Entscheidung nicht. Der ORF habe "darlegen können, dass die redaktionelle Letztentscheidung der Sendungsgestaltung – zwar unter Zugrundelegung des jeweiligen zunutze gemachten Glücksspiels – stets ihm selbst obliegt". Zudem könnte der ORF den Vertrag oder Sendungen einseitig aufkündigen, argumentiert die Behörde.

17,8 Millionen pro Jahr für ORF

Der Vertrag mit den Lotterien (an denen der ORF einen kleinen Anteil hält) ist allerdings ziemlich lukrativ: Die Lotterien zahlen (wie auch Zeitungen) Beiträge für die Veröffentlichung von Ziehungen und Ergebnissen sowie der Lotto-Shows, die unter "mediale Unterstützung" laufen. Laut ORF-Jahresbericht brachte sie dem öffentlich-rechtlichen Medienhaus 17,8 Millionen Euro, die unter Lizenzerträgen, Erträgen und Programmverwertung verbucht werden. Die sechs Prozent des ORF an den Lotterien bringen zudem mehrere Millionen Euro pro Jahr Beteiligungsgewinn.

ORF und Lotterien haben das Aus für "Brieflos-Show" und "Bingo" am Dienstag auf STANDARD-Anfrage damit erklärt, die Sendungen wären nicht mehr zeitgemäß. Das hätten Evaluierungen ergeben. Beim Evaluieren hat die Medienbehörde offenkundig tatkräftig mitgeholfen – eher über die Rechtmäßigkeit allerdings.

Der ORF hat noch nicht über eine Beschwerde gegen das Erkenntnis der Behörde entschieden, hieß es am Freitag auf STANDARD-Anfrage. Bisher gibt es insbesondere zum Einfluss von Werbeauftraggebern auf redaktionelle Inhalte laut Medienjuristen keine hier verwendbaren Entscheidungen von Höchstgerichten – umso spannender wäre eine Klärung. Auch für neue Formate, an denen ORF und Lotterien nach eigenen Angaben arbeiten. (fid, 30.3.2018)