Architektur als Ort der Begegnung: Mit seinem temporären Serpentine Pavilion in London zelebrierte der Architekt Diébédo Francis Kéré im Sommer 2017 die Offenheit.

Iwan Baan

Farbige Zukunft und Vergangenheit: Paul R. Williams' spaciges Theme Building in L.A. (1961).

Alan Karchmer

David Adjayes Smithsonian Museum in Washington (2016).

Wikipedia

Der Pionier: Paul Revere Williams

Los Angeles, 1956. Frank Sinatra zeigt der amerikanischen Fernsehöffentlichkeit sein neues Haus. Kein protziges Anwesen, sondern einen bescheidenen, eleganten Bungalow. Die Raumteiler offenbaren japanischen Einfluss, die Farben der Möbel (Schwarz, Rot, Orange) ebenso, Sinatra muss sie den Zuschauern vor den Schwarz-Weiß-Fernsehern erklären. Noch Jahre später äußerte sich der Star begeistert über dieses Haus und dessen Architekten: Paul R. Williams. Jener blickte damals schon auf eine beeindruckende Karriere zurück und zählte eine Reihe Hollywoodstars zu seinen Kunden. Dabei hatte ein Lehrer ihm vom Studium abgeraten: Niemand würde einen schwarzen Architekten beauftragen. Williams tat es trotzdem. Mit 28 eröffnete er sein eigenes Büro. Er lernte, seine Skizzen verkehrt herum anzufertigen, wenn weiße Kunden ihm gegenübersaßen: Neben einem Schwarzen zu sitzen, das ging damals zu weit. "Ich wollte mir immer neue Fähigkeiten aneignen", sagte er. "Ich wollte beweisen, dass mir, als Individuum, ein Platz in der Welt zusteht." Er hat es bewiesen. Neben 2000 Häusern zählen zu seinen Werken das klassizistische Music Corporation of America Building in Beverly Hills (1939) und das hyperelegante Raumschiff des Theme Building am Flughafen Los Angeles (1961).

Die Macherin: Norma Merrick Sklarek

23 Jahre nach dem Theme Building: Die Olympischen Spiele in L.A. stehen an, ein neuer Terminal am Flughafen musste her. Dass der 50-Millionen-Dollar-Bau pünktlich und budgetkonform fertig wurde, war vor allem einer Person zu verdanken: Norma Merrick Sklarek, der Projektleiterin. "Sie konnte alles. Sie war der komplette Architekt", urteilte Marshall Purnell, der ehemalige Präsident des American Institute of Architects (AIA), voller Respekt. Dabei hatte auch sie keinen leichten Weg. Aber sie hatte einen eisernen Willen. 1926 geboren, war sie 1954 die erste Afroamerikanerin, die die Lizenz als Architektin erhielt. Danach führte sie ihr Interesse an Großprojekten zu Büros wie Skidmore, Owings and Merrill. Rassistische Vorurteile konterte sie mit Pragmatik. Als sich der weiße Kollege, der sie zur Arbeit mitnahm, ständig verspätete, aber nur sie dafür vom Chef gerüffelt wurde, kaufte sie sich ein Auto und fuhr selbst zur Arbeit. Sie sollte noch weitere Mauern durchbrechen: 1980 war sie die erste Afroamerikanerin mit einem Stipendium des AIA, und 1985 gründete sie mit zwei Kolleginnen das größte nur von Frauen geführte Architekturbüro der USA, Siegel Sklarek Diamond.

Der Botschafter der Leichtigkeit: Diébédo Francis Kéré

Eine ehemalige Kaserne in Mannheim, ein Stück Savanne in Westafrika, ein gepflegter Rasen im Londoner Hyde Park. Das sind nur drei der Bauplätze ein und desselben Architekten: des 1965 in Burkina Faso geborenen Diébédo Francis Kéré. Die Bauten, die er auf diesen Bauplätzen errichtet, haben eines gemeinsam: Sie sind einladend, freundlich, leicht. Auf den ersten Blick einfach, eröffnen sie bei genauerem Hinschauen neue Wege der Konstruktion und des Materials. Der heute ausgeleierte Begriff der Nachhaltigkeit strahlt hier in voller Frische. Berühmt wurde Kéré durch eine Schule aus Lehm in seinem Heimatort Gando. Als Sohn eines Häuptlings zwar mit Autorität ausgestattet, brauchte er allerdings einiges an Überzeugungsarbeit, den Bewohnern die als rückständig angesehene, aber ans Klima bestens angepasste lokale Bautradition zu vermitteln. Sein Serpentine Pavilion in London (2017) gilt als einer der besten in der langen Reihe, und zu Recht: Scheinbar mühelos verbinden sich das leichte, angehobene Dach und die freistehenden Wände aus leuchtend blauen Bausteinen zur einladenden Geste: Raum als Begegnung. In Kérés Worten: "Wir müssen vom Ich zum Wir finden."

Der Global Player: David Adjaye

Das Haus, mit dem er bekannt wurde, war rabenschwarz. Das Dirty House, ein altes Lagerhaus, das David Adjaye 2002 im damals schon angehipsterten Londoner Stadtteil Shoreditch für befreundete Künstler zu einem Atelier umbaute, war mit dicker Bitumenfarbe angestrichen und so düster, dass es schon wieder fröhlich war. Auch einige der folgenden Häuser des 1966 in Tansania geborenen und in London aufgewachsenen Ghanaers kamen in Architektenschwarz daher. Das war sicher nicht der einzige Grund für seinen rapiden Aufstieg: Adjaye ist mehr als nur ein Markenzeichen. Das zeigte er beim spektakulären Smithsonian National Museum of African American History and Culture, das 2016 mitten in Washington eröffnet wurde: Die Lichteffekte der filigran-ornamentalen Fassade sind alles andere als finster. Auch dank dieses Prestigeprojekts ist Adjaye heute global unterwegs: Ein Museum in Riga, eine Kathedrale in Accra, ein Hochhaus in Manhattan stehen an. Zu Hause ist er längst ein Star: 2012 wurde er auf Platz eins der "most influential black people in the UK" gewählt, und seit 2017 darf man ihn Sir David nennen.

Der Entwicklungshelfer: Kunlé Adeyemi

Ein Toblerone-förmiges Floß ging 2016 in Venedig vor Anker: Die dreieckige Konstruktion aus Holz war eines der meistbeachteten Projekte der Architekturbiennale und bekam den Silbernen Löwen verliehen. Die Makoko Floating School war ein neuer Prototyp für Schulen in prekärem Umfeld: Entworfen wurde sie von Kunlé Adeyemi für die Lagune der rapide wachsenden Metropole Lagos. Ökologisch durchdacht, aus einfachen Holzelementen binnen vier Tagen aufzubauen, war das Pilotprojekt seit 2013 in Lagos in Betrieb, 2016 wurde die optimierte Version MFS II vorgestellt. Adeyemi war damals gerade 40 und blickte schon auf eine respektable Karriere zurück: Nach mehreren Jahren als Projektleiter bei Rem Koolhaas gründete der Architektensohn aus Nigeria 2010 sein Büro NLÉ in Amsterdam – ein Name, der auf Yoruba so viel wie "zu Hause" bedeutet und Programm ist: Wie sein Kollege Kéré baute er vorwiegend in seinem Heimatland, kultur- und klimagerecht. Auch wenn ihm das Klima einen Strich durch die Rechnung machte: 2016 brach die MFS II nach heftigen Regenfällen zusammen. Für Adeyemi Anlass, den Prototyp nochmals zu optimieren. "Unsere Motivation, uns mit Küstenstädten und Wasser zu beschäftigen, ist stärker als je zuvor." (Maik Novotny, 31.3.2018)