Peter Kolba (Liste Pilz) fordert die Regierung auf, sich dem Thema Cannabis in der Medizin zu widmen. Kolba ist selbst Schmerzpatient und nimmt seit 2015 das Cannabis-Präparat Dronabinol.

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Pamela Rendi-Wagner, Gesundheitssprecherin der SPÖ, will Ergebnisse aus Deutschland abwarten, bevor es Änderungen in Österreich gibt. Im Nachbarland können Cannabisblüten seit März 2017 mit Rezept in der Apotheke gekauft werden.

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Die FPÖ steht dem Thema positiver gegenüber, als vor wenigen Monaten noch. Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch schlägt vor, die Blüten zunächst im klinischen Bereich einzusetzen.

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Auch die ÖVP sieht Cannabis in der Medizin grundsätzlich positiv. Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz will ebenfalls Erfahrungswerte aus Deutschland abwarten. Bei der Übernahme von Kosten der synthetischen Cannabispräparate durch Krankenkassen brauche es Verbesserungen.

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Der Gesundheitssprecher der Neos, Gerald Loacker, steht dem Antrag der Liste Pilz kritisch gegenüber. Es gebe nicht genügend Evidenz für eine öffentliche Kostenübernahme von Blüten für den medizinischen Bedarf. Weitere Studien seien notwendig.

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Die Österreichische Agentur für Ernährung (Ages) baut Cannabis an, das nach Deutschland exportiert wird und dort zu Medikamenten verarbeitet wird.

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Einer Umfrage zufolge steht die österreichische Bevölkerung Cannabis für die Medizin positiv gegenüber: Knapp 80 Prozent befürworten, dass medizinisches Cannabis unter ärztlicher Verschreibung und Anwendung erhältlich sein sollte. Eine generelle Legalisierung wird jedoch eindeutig abgelehnt.

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Die Rolle von Cannabis wird in Österreich derzeit auf gleich mehreren Ebenen diskutiert: Einerseits überlegt die Regierung ein Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und Hanfpflanzen durchzusetzen, damit drohen – wie berichtet – harte Zeiten für Freunde des Hanfs.

Bürgerinitiative und Antrag im Parlament

Davon abgekoppelt läuft aktuell eine Debatte über den Einsatz von Cannabis in der Medizin – das Kraut wurde übrigens vor Kurzem zur Arzneimittelpflanze 2018 gewählt. Vor allem seit es in Deutschland vor einem Jahr zu einer Liberalisierung von Cannabisblüten für medizinische Zwecke kam, ist diese Möglichkeit auch in Österreich diskussionswürdig. Wer im Nachbarland ein Rezept besitzt, kann sich die Blüten nun in der Apotheke abholen. Parallel dazu gibt es nach wie vor die synthetischen Cannabis-Präparate, auf die Patienten mit Rezept in Österreich zurückgreifen.

Was sich tut: Eine Bürgerinitiative fordert die "Straffreistellung von Besitz und Erzeugung" von Cannabis(-produkten) bei Patienten mit entsprechender medizinischer Indikation – 3695 Personen haben sie bislang unterzeichnet. Anfang März brachte die Liste Pilz außerdem einen Entschließungsantrag zur Liberalisierung von Cannabis in der Medizin ein – nun beschäftigt sich der Gesundheitsausschuß im Parlament mit dem Thema. Aktuell werden fachliche Stellungnahmen eingeholt, jene vom Schmerzverband sei bereits eingelangt, sagt Peter Kolba, der den Antrag für die Liste Pilz initiierte.

Viele Patienten bleiben auf Kosten sitzen

Kolba leidet selbst seit Jahren an einer chronischen Schmerzerkrankung und hat sich intensiv mit dem Thema Cannabis in der Medizin auseinandergesetzt. Seit 2015 nimmt er Dronabinol-Tropfen, eines der in Österreich legalen THC-haltigen Präparate. Monatlich würde ihn das etwa 800 Euro kosten, in seinem Fall hat die Krankenkasse entschieden, die Kosten zu übernehmen.

Laut Kolba ein Glück, das vielen anderen Patienten aber nicht zuteil werde. "Bei mir haben sich Krebspatienten gemeldet, denen die Kostenübernahme nicht bewilligt wurde." Schätzungen von Ärzten zufolge übernehmen die Kassen etwa 40 Prozent der Fälle. Laut Kolba komme es oft darauf an, bei welcher Kasse man einreicht. Die WGKK entscheide demnach in der Regel bei Appetitstörung für eine Kostenübernahme, bei Schmerzbehandlungen allerdings dagegen. "Wenn man irgendwie über die Politik interveniert, geht mehr. Das ist zwar sehr österreichisch, aber für die Patienten untragbar."

Genaue Zahlen zur Anzahl von Patienten, die Cannabis-Präparate verwenden, gibt es keine. Bei der "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin", der der Arzt Kurt Blaas angehört, geht man von einem Bedarf von 4000 bis 5000 Menschen in Österreich aus.

Was für bzw. gegen Cannabisblüten spricht

Was aber soll die Verfügbarkeit von Blüten in den Apotheken an diesen Problemen ändern? Cannabisblüten über ärztliches Rezept und Verkauf über die Apotheken würden den Markt beleben und damit die Preise senken, meint Kolba. Außerdem ergebe sich für Patientinnen und Patienten ein Mehrwert, da die Blüten gleich mehrere Wirkstoffe beinhalten und nicht nur THC (psychoaktive Substanz) oder CBD (nicht berauschend, kann in Form von Blüten, Ölen, Kapseln legal in Geschäften gekauft werden).

Ärzte, die sich auf Cannabis spezialisiert haben und entsprechende Präparate verschreiben, gibt es in Österreich nicht viele. Einer der führenden Mediziner ist Blaas, der seine Praxis in Wien hat und dort Patienten aus ganz Österreich behandelt. Bei den meisten reiche die Therapie mit den verfügbaren Präparaten aus, sagte er zur Wiener Zeitung, allerdings hätten einige herausgefunden, dass sie mit dem Konsum von Blüten bessere Erfolge erzielen. Diese Menschen zwinge man in den Schwarzmarkt bzw. zum illegalen Anbau – für den Arzt ein unhaltbarer Zustand.

Natürlich haben auch Cannabispräparate bzw. Blüten Nebenwirkungen. Am häufigsten werden hier die Gefahr von Psychosen bzw. das Suchtpotenzial genannt. Mit der körperlichen Abhängigkeit von Opiaten sei medizinisch eingesetztes Cannabis aber nicht vergleichbar, da die körperlichen Abhängigkeitssymptome nach kurzer Zeit verschwinden würden. Die psychische Abhängigkeit im medizinischen Einsatz von Cannabis wird in der Regel in Arztgesprächen thematisiert.

Kein klares Nein der Gesundheitssprecher

Dass die Auseinandersetzung auf parlamentarischer Ebene zu einer Entscheidung wie in Deutschland führen könnte, scheint momentan gar nicht so unwahrscheinlich. Deutliche Ablehnung zur Liberalisierung von Blüten für Patienten gibt es aber von keiner Partei – auch nicht von der FPÖ:

Beantwortete die Partei diese Frage im Oktober 2017 noch negativ, klingt das nun schon anders: Die Zulassung von Blüten werde noch länger dauern, zunächst "gilt es noch Unsicherheiten und Vorurteile zu überwinden." Ein klares Nein klingt anders. Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch schlägt vor, die Blüten zunächst im klinischen Bereich einzusetzen. Das allerdings erst nachdem sichergestellt wird, dass diese "qualitativ hochwertigen Blüten" auch in Österreich produziert werden können.

Unbedingt an Deutschland orientieren müsse man sich laut Belakowitsch aber nicht. "Tatsache ist, dass die Situation in Österreich äußerst unbefriedigend ist." Sie kritisiert ebenfalls die teilweise abgelehnten Kostenübernahmen: "Wenn Menschen trotz nachgewiesener Wirkung selbst für ihre dringend benötigten Medikamente aufkommen müssen, ist das untragbar." Darüber sei man sich "quer durch alle Parteien bewusst". Wie auch Kolba betont Belakowitsch, dass es für Patienten sehr schwer sei einen Arzt zu finden, der sich mit der Wirkung von Cannabinoiden wirklich gut auskenne. Man müsse deswegen in der Ausbildung und bei der Weiterbildung ansetzen.

Abwarten als Strategie

SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner weist darauf hin, dass die Studienlage zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Blüten verbessert werden müsse. Man wolle deswegen Ergebnisse einer Begleitstudie zur Liberalisierung in Deutschland abwarten. Die Partei steht dem Thema schon seit längerem reserviert gegenüber – den Einsatz einer Expertengruppe lehnte das – damals von Rendi-Wagner geleitete Gesundheitsministerium – nach der Entscheidung in Deutschland ab.

Die Neos sehen es ähnlich wie die SPÖ. Gesundheitssprecher Gerald Loacker zufolge gebe es derweil nicht genügend Evidenz für eine öffentliche Kostenübernahme von Blüten für den medizinischen Bedarf – das würden auch die Schmerzgesellschaft und die Apothekerschaft so sehen. Dem Pilz-Antrag stehe man deswegen kritisch gegenüber, denn er lasse vermuten, "dass die bloße Liberalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke gefordert ist und der Prozess der pharmazeutischen Forschung und Herstellung umgangen werden soll."

Bei der ÖVP steht man einer Liberalisierung im medizinischen Bereich "dem Grund nach positiv" gegenüber. Aber auch hier mit dem Zusatz: Ergebnisse in Deutschland abwarten. Wichtig sei laut Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz jedenfalls unter anderem, dass es zu einer "Klärung der derzeit problematischen Bewilligungspraxis der Kassen" komme.

Blick nach Deutschland

Wie sieht es nach einem Jahr Legalisierung – die übrigens einstimmig beschlossen wurde – in Deutschland aus? Medien berichten von einem regelrechten Run von Patienten auf medizinisches Cannabis, allerdings scheint es auch hier in einigen Fällen Probleme mit der Kostenübernahme der Krankenkasse zu geben.

Lieferengpässe gibt es aber nicht nur wegen der Nachfrage, auch dass es bis dato keine Produktion in Deutschland gibt, verschärft die Wartezeiten für Patienten. Ein Ausschreibungsfahren wurde erst vor wenigen Tagen vom Oberlandesgericht Düsseldorf gestoppt. Die Richter gaben der Beschwerde eines Unternehmens Recht, dass sich durch die Kriterien benachteiligt fühlt.

Bevölkerung positiv eingestellt

Hier habe Österreich wiederum einen Vorteil gegenüber den Nachbarn, sagen Kolba und Belakowitsch. Immerhin produziert die Österreichische Agentur für Ernährung (AGES) in ihren Labors Cannabisblüten – die dann nach Deutschland exportiert und dort zu synthetischen Präparaten gemacht werden. Das Know-How ist also vorhanden.

Geht es nach der Bevölkerung, ist Österreich reif für Cannabisblüten in der Apotheke – zumindest suggeriert das eine Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek vom Herbst 2017 mit 1000 befragten Personen. Knapp 80 Prozent befürworten, dass medizinisches Cannabis unter ärztlicher Verschreibung und Anwendung erhältlich sein sollte. Eine generelle Legalisierung wird jedoch eindeutig abgelehnt. (Lara Hagen, 2.4.2018)