Ist Emmanuel Macron für die glückliche Wendung verantwortlich? Nein, sagen viele.

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Nicht einmal die französische Regierung hatte damit gerechnet: Wie das nationale Statistikamt Insee Anfang der Woche mitteilte, ist das Haushaltsdefizit des Landes 2017 auf 2,6 Prozent gesunken (Vorjahr 3,4 Prozent). Erstmals seit zehn Jahren hält Frankreich die Defizitvorgaben des Maastrichter Vertrages ein. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der von einem Wert von 2,9 Prozent ausgegangen war, macht die Wirtschaftspolitik seines Vorgesetzten Emmanuel Macron für die glückliche Wendung verantwortlich: Er sieht darin "den Beweis, dass unsere Politik funktioniert und dass die Strategie des Präsidenten für Wachstum, Budgetsanierung und die Senkung der öffentlichen Ausgaben richtig ist".

Die Frohbotschaft aus Paris wurde auch von Macrons Beratern durch alle Pressekanäle verbreitet. Viele Ökonomen runzeln allerdings die Stirn. Das Defizit ist nicht etwa gesunken, weil die Staatsausgaben – wie von Macron versprochen – gesunken wären. Sie haben vielmehr um 2,5 Prozent zugenommen. Wie Insee vorrechnet, hat das weltweit günstige Konjunkturumfeld – also ein externer Faktor – in Frankreich zu höheren Steuereinnahmen geführt.

Steuerlast ist nicht gesunken

Entgegen Macrons Ankündigung ist die gesamte Steuer- und Abgabelast bisher nicht gesunken, sondern von 44,6 auf 45,4 Prozent des BIP gestiegen. Das ist ein neuer Rekord für Frankreich, das damit europaweit die Spitzenstellung unter den großen Volkswirtschaften einnimmt (nur Dänemark liegt darüber).

Entsprechend hart gehen die Pariser Ökonomen mit der seit einem Jahr amtierenden Regierung ins Gericht. Das gesunkene Defizit sei, so Eric Heyer vom linken Konjunkturforschungsinstitut OFCE, in erster Linie auf den weltweiten Aufschwung zurückzuführen. "Das ist natürlich überaus bequem für die Regierung", kommentiert er. "Aber es hat nichts mit ihr zu tun."

Die Sozialistische Partei hält Macron zu mehr "Ehrlichkeit" an, führt sie doch das gesunkene Defizit auf die Anstrengungen des früheren Präsidenten François Hollande zurück. Diese Ansicht äußert sogar der konservative Ex-Budgetminister Eric Woerth.

100-Prozent-Schwelle nähert sich

Der liberale Thinktank Ifrap verweist seinerseits darauf, dass die Staatsschuld Frankreichs 2017 weiter auf 2218 Mrd. Euro angestiegen ist – und nun 97 Prozent Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) erreicht. In Bälde dürfte sie die 100-Prozent-Schwelle übersteigen. Der Börsenökonom Serge Touati hält die Erfolgsmeldung des Macron-Lagers sogar für negativ: "Dies verleitet die Regierung zur doch sehr gewagten Behauptung, sie habe nun neuen Spielraum, um die Staatsausgaben zu erhöhen."

Hinter dieser heftigen Debatte geht es letztlich um die Frage, ob Macron der französischen Wirtschaft wirklich auf die Sprünge hilft – oder ob vieles nur Augenwischerei ist. Tatsache ist, dass der Amtsantritt des jungen, energischen Präsidenten Frankreich neuen Elan verliehen hat. Wirtschaftsführer geben sich in den monatlichen Erhebungen optimistischer, die Ableger ausländischer Konzerne investieren mehr. Der größte Pferdefuß der Landeswirtschaft, die Arbeitslosigkeit, ist wieder unter die psychologische Zehn-Prozent-Schwelle gesunken und liegt derzeit bei rund neun Prozent.

Was ist Macrons Werk?

Aber auch diesbezüglich wird zunehmend die Frage gestellt: Ist das Macrons Werk? Ist seine Arbeitsmarktreform von letztem Herbst wirklich so tiefgreifend, wie sie angekündigt war? Und wann beginnt er wie angekündigt mit dem Abbau von 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst, der heute mit über fünf Millionen Bediensteten den europäischen Spitzenplatz in Sachen Staatsausgaben (56 Prozent des BIP) einnimmt?

Sicher ist Macrons Glaubwürdigkeitsgewinn: Dank dem gesunkenen Defizit wird Frankreich wohl aus der Beobachtung durch die EU-Kommission entlassen. Das war für Macron ein Hauptziel seiner Wirtschaftsstrategie. Denn nun kann er gegenüber Berlin selbstbewusster auftreten, wenn es an die Umsetzung seiner ehrgeizigen Budgetpläne für die Eurozone geht. Macron und Angela Merkel wollen sie bis im Juni bekanntmachen. (Stefan Brändle, 31.3.2018)