Der Osterhase ist auch nur ein reguliertes Produkt des menschlichen Über-Ich, das uns bloß davon abhalten soll, verruchten heidnischen Lüstlingsbräuchen nachzuhängen. Fruchtbares, Orgiastisches und so weiter. Und was haben wir nun? Volle Eier und Karnickelliebe. Alles wurde domestiziert und schöngemacht, beschnitten und eingezäunt, behübscht und entschärft. Mit viel Gold und Pastell und Mascherl drüber, und gut ist's! Wobei: Auch das Zähmen des Orgiastischen ist mittlerweile schon ganz woanders, als es noch beim Beginn des Osterhasen gewesen ist.

Orgiastisches ist heutzutage schon in Ordnung, gesellschaftlich betrachtet. Aber nur solange es sich in verwertbaren Bahnen bewegt. Unsere Religion heißt Konsum, und sie kann gar nicht genug Rituelles fördern und fordern. Am besten wäre so ein Gottesdienst, der sich ohne Unterbrechung 365 Tagen im Jahr zelebrieren lässt. Wir bewegen uns schon zügig darauf zu.

Die Übergänge zwischen Winter, Sommer, Frühjahr und Herbst verschwimmen. Ostern, Weihnachten, Halloween, Valentinstag (dieser ganz besonders verhasste, widerwärtig zu uns wie eine epidemische Erkrankung übergeschwappte Valentinstag, der Millionen von Menschen verlässlich unglücklich macht), Nikolaus und Krampus verschwimmen aber auch.

Und es kommt ein unkonturierter Mischmasch dabei raus. Spekulatius im Spätsommer, Weihnachtsmänner im Oktober, vermutlich müssen wir bald Maria Empfängnis zu Weihnachten feiern, und das macht Sinn, weil eigentlich alles gleichzeitig ist und damit göttlich omnipräsent und zeitlos. Es macht alles Sinn!

Die verschmähten Nikoläuse kehren übrigens gemäß der Theorie der Wiederauferstehung im begehrten Osterhasen wieder, entweder ein Beweis für das Leben nach dem Tode oder aber für das ewige, unentrinnbare Samsara. Der innere Pessimist und der innere Optimist des Betrachters mögen bitte diese heikle Frage selbst entscheiden. (Julya Rabinowich, 30.3.2018)