Jeder zweite Erwachsene in Österreich kann sich nicht vorstellen, dass es gar keinen Gott gibt

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Linz – Hokuspokus. Wenn Menschen das Religiöse nicht verstehen, reimen sie sich eben etwas zusammen – womit aus der bei der Wandlung gebrauchten lateinischen Formel "hoc est enim corpus meum" ("das ist mein Leib") eben die Zauberformel "Hokuspokus" geworden, die einfach irgendwelche Veränderungen bewirken soll.

Immerhin glauben 15 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung Österreichs, dass es Menschen gibt, die zaubern können. Das sind mehr als jene, die glauben, dass Priester und Bischöfe eine besondere Beziehung zu Gott herstellen könnten. Das nämlich glauben nur zwölf Prozent.Esot

"Die Glaubenswelt der Österreicherinnen und Österreicher ist von großer Beliebigkeit geprägt. Jeder pickt sich heraus, woran er gerne glauben will – und hält sich dabei wenig an die Vorgaben der Religionsgemeinschaften. Selbst von denen, die sich in der Kirche engagieren, glauben nur drei Viertel, dass es ein Leben nach dem Tod gibt", sagt Werner Beutelmeyer, Chef des Linzer Market-Instituts, das jedes Jahr eine Osterumfrage für den Standard durchführt.

Dabei gibt es auffallende Verschiebungen weg von der Lehre der Kirche.

Glaubensbekenntnis ohne Mehrheit

So wurde Punkt für Punkt das apostolische Glaubensbekenntnis abgefragt. "Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen", beginnt dieses Bekenntnis. Aber dem stimmen nur mehr 39 Prozent der Erwachsenen zu – selbst unter den in der Kirche engagierten Christen sind es nur 76 Prozent. Noch vor vier Jahren, als Market dieselbe Frage gestellt hat, glaubten 49 Prozent an die Allmacht Gottes.

Auch im nächsten Punkt, dass Gott "Schöpfer des Himmels und der Erde" ist, gab es einen Rückgang um zehn Prozentpunkte von 40 auf 30 Prozent. Und so weiter: Jesus Christus als eingeborener Sohn Gottes – das glauben zum heurigen Osterfest nur 31 Prozent (zu Ostern 2014 waren es 39 Prozent). Seine Auferstehung am dritten Tag: 20 Prozent (zuletzt: 31). Lediglich die Geschichte, dass Jesus gekreuzigt und begraben wurde, wird noch von einer knappen Hälfte für wahr gehalten.

Ganz schwach ausgeprägt ist dagegen der Glaube an "die heilige katholische Kirche": Acht Prozent glauben an diesen Glaubenssatz. Und von denen, die ihn als engagierte katholische Christen wohl beten, glauben auch nur 21 Prozent daran.

14 Prozent in der Kirche engagiert

Dieser Kern an Gläubigen ist in den vergangenen Jahren auf 14 Prozent zusammengeschmolzen. Vor 20 Jahren umfasste er noch 21 Prozent, auch in einer Umfrage im August 2011 bekannten sich noch 21 Prozent als in der katholischen Kirche engagiert. Aber schon wenige Monate später brach das Niveau auf 14 Prozent ein und blieb seither weitgehend stabil. Die engagierten Katholiken sind überdurchschnittlich oft im Segment der älteren Befragten zu finden – und im Lager der ÖVP (deren Wähler zu 25 Prozent kirchlich engagiert sind) und der SPÖ (dort sind 17 Prozent kirchennahe). Diese beiden Parteien haben wie die Kirche eine eher ältere Anhängerschaft. Eine relative Mehrheit von 41 Prozent bezeichnet sich selbst als "Taufscheinkatholiken".

Und woran glauben die Menschen in Österreich wirklich?

  • Esoterisches liegt ganz weit vorne: Dass gute Handlungen ein positives Karma erzeugen Darüber herrscht Konsens unter 72 Prozent der Befragten – 19 Prozent können sich das eher nicht vorstellen, neun Prozent machen zu diesem Punkt keine Angabe.
  • Dass Tiere eine Seele haben wird von 64 Prozent angenommen – wobei Beutelmeyer darauf hinweist, "dass der Begriff Seele schon von Arthur Schnitzler als ein weites Land bezeichnet wurde, damit muss nicht eine Seele im christlichen Sinn gemeint sein." Der Idee der unsterblichen menschlichen Seele folgen nur 44 Prozent – von den engagierten Christen sind es 74 Prozent, von den Taufscheinkatholiken 46 Prozent.
  • Sechs von zehn Befragten glauben an Kraftplätze, deren Besuch einen geistig stärkt – was wohl auch für Wallfahrten gilt; dass diese dem Seelenheil dienen, glauben 37 Prozent, die gläubigen Katholiken (62 Prozent) und die ÖVP-Wähler (45 Prozent) besonders. Die Wähler von FPÖ und Neos sind dem Wallfahrtswesen besonders abhold.
  • Auffallend hoch ist die Zustimmung zu esoterischen Praktiken, wie sie zuletzt in der politischen Diskussion aufgetaucht sind: Dass man ein Haus energetisch reinigen kann, wird von 29 Prozent geglaubt. Und das weitgehend unabhängig von politischer oder religiöser Überzeugung. Allerdings gibt es ein beachtliches West-Ost-Gefälle: In Ostösterreich ist dieser Wunderglaube weniger verbreitet, in Wien, wo beim Krankenhaus Nord und der Seestadt Aspern für derartige Praktiken hohe Beträge ausgegeben worden sind, glauben nur 13 Prozent an energetische Reinigung. Auffallend ist, dass Frauen zu 37 Prozent daran glauben, Männer nur zu 22 Prozent. Kein Wunder: 27 Prozent sagen ja auch, dass es Häuser gibt, in denen es spukt.
  • Dass man mit Wünschelruten Schwingungen und Störungen auspendeln kann, glauben sogar 45 Prozent – ohne signifikante Geschlechtsunterschiede.
  • Sogar Schamanen, die mit Geistern und Toten sprechen können, haben einen Platz in der Glaubenswelt von 22 Prozent der Befragten (auch in der von Katholiken). Sechs Prozent glauben an Teufelsaustreibungen. Und zwei Prozent an Vampire.

Der STANDARD ließ das Linzer Market-Institut auch fragen: "Was glauben Sie: Kommen Sie selber nach Ihrem Tod in den Himmel, oder kommen Sie nach Ihrem Tod in die Hölle?"

Nur 18 von 811 Befragten sehen sich nach ihrem Tod in der Hölle schmoren – an ein Weiterleben im Himmel glauben aber auch nur 157 Befragte, also 19 Prozent, unter ihnen etwa die Hälfte der befragten engagierten Katholiken. 57 Prozent sagen dezidiert, dass es so etwas wie Himmel oder Hölle in ihrer Vorstellungswelt nicht gibt, der Rest hat keine Meinung. (Conrad Seidl, 31.3.2018)