Breitbeinig vorgetragene, sinistre Texte über die Dunkelheit des Lebens, gab es auch in Wien zu hören.

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Wien – Vielleicht ganz interessant für Anrainer: Am Samstag um 15 Uhr Nachmittag sind nicht nur steirische Fans mit dem "Eventverkehr"-Reisebus der "Holding Graz" längst bei der Wiener Stadthalle angekommen. Alte grauhaarige Leute in unwürdigen schwarzen T-Shirts mit gemalten kontraphobischen Lebensbehauptungen darauf (die Monster AG!) verstellen auch schon die Filialen der lokalen Supermarktfilialen und nehmen die Angebote heimischer Brau- und Brennkunst wahr. Beziehungsweise: Alle Kellnerinnen zwischen Lugner City und Westbahnhof wissen heute, dass vier Stunden später in der Nachbarschaft am Abend ein Konzert stattfinden wird, das Durst macht.

Für Nichtwiener: Nach dem Konzert heim nach Stockerau darf heute mit dem Auto ausnahmsweise wieder einmal die Gertschi fahren. Sie macht das eh nicht schlecht, man darf es halt nur nicht einreißen lassen. Unvergessen: die Horden schlafender Männer im der Stadthalle vorgelagerten Märzpark weit vor dem Konzert Metallicas in den 1990er-Jahren. Reisegepäck auf der Westbahnstrecke zum nahen Westbahnhof (oh, süßer Vogel Jugend!): eine Kiste Bier zu zweit.

Mit dem Flieger aus San Francisco

Metallica kommen allerdings mit dem Flieger aus dem US-amerikanischen San Francisco. Sie sind vom Bekanntheitsgrad und dem regelmäßigen Auftauchen auf den größten Showbühnen des europäischen Marktes her gesehen eine der wenigen verbliebenen massenkompatiblen Bands des Planeten. Kaum ein mitteleuropäisches Festival kann es sich jenseits der Red Hot Tote Hosen Rammsteins leisten, sie nicht regelmäßig alle zwei Jahre als Headliner zu buchen. Und das mit einer Musik, die sich nicht vordergründig aus dem Programm der Geschichte von Rock und Blues und von Radio Burgenland außerhalb der Hauptsendezeiten speist.

Metallica, die man vor ihrer Müsliriegel- und Bikram-Yoga- und für das Kino adaptierten Gruppentherapiephase in Genrekreisen auch Alcoholica nannte, sind heute eine verlässliche Putz-Brigade in Sachen abgedämpfte Akkorde bei zügigem Medium- bis Durchgebraten-Tempo, garniert mit himmelschreienden, aber ökonomisch eingesetzten Selbstverwirklichungssoli auf den Gitarren. Darüber gibt es breitbeinig vorgetragene, sinistre Texte über die Dunkelheit des Lebens. James Hetfield ist dafür verantwortlich.

Abgesehen von den anderen drei Metallicas an auf Kniehöhe gespieltem Gummigelenksbass, Muppets-Show-Schlagzeug und Extrapolationsgitarre ist er der Mann, der in der Wiener Stadthalle für die gebrüllten Wiedererkennungseffekte sorgt: "Exit: Light/ Enter: Night/ Take my hand/ We’re off to never never Land!" Enter Sandman, den größten Hit Metallicas gibt es erst als Zugabe. Davor muss ausgiebig das Material des aktuellen, nicht einmal so kreativ unauffälligen Albums Hardwired … To Self-Destruct gespielt werden. Live klingt das wertkonservativ und reiht sich nahtlos in die Reihe ebenfalls routiniert geprügelter Klassiker wie Seek & Destroy oder Fade to Black oder Master of Puppets ein.

Bühne in der Mitte

Kein Problem. Nach eineinhalb Stunden hat man sich 90 Minuten lang etwas sattgesehen. Metallica haben die Bühne sensationellerweise in der Saalmitte aufgebaut, um ihren zehntausend engsten Fans bei einem intimen Clubkonzert ganz nahe zu sein. Dies ist kein Signal für Stillstand: Sie gehen auf der Bühne allerdings im Kreis. 11.500 von 10.000 Männern im Publikum sind restlos begeistert. Luftgitarren werden ausgepackt, kurz mit Zipfer gestimmt und dann hart im Doppeltakt geschlagen. Leider ist der Sound zumindest oben auf den Rängen absolut nicht so gut. Wir sprechen nicht von den Luftgitarren. Der Sound ist bis zum Schimpfwort hin ganz, ganz schlecht.

Metallica heulen breitbeinig im kleinen Schwarzen: "I can’t remember anything/ Can’t tell if this is true or dream/ Deep down inside I feel to scream/ This terrible silence stops me." Die Stille klingt wie ein im Stakkato gespieltes Meuchelriff mit dem Handballen hinten auf die Saiten gedrückt beim Steg. Das klingt nicht nur bei Geschwindigkeitsübertretungen auf nachts kaum befahrenen Autobahnen ins Umland von Wien, aber auch die grenznahe Slowakei gut. Das klingt immer gut. Metallica sind gut! Die T-Shirts kosteten jeweils 30 Euros. Das war ein wenig frech. Aber so sind wir Metaller. Wir äußern unseren Protest gegenüber der Gesellschaft und ihren Normen und Zwängen ganz offen.

Mit uns Metallern ist nicht gut Kirschen essen. Würde diese Kultur des immerwährenden Widerstands auch politisch eingesetzt werden (wir machen das Teufelszeichen mit der linken Hand!), dann könnten sich einige Burschis ganz schön warm anziehen. Meine Meinung. Es gibt übrigens kein höflicheres Publikum als bei Metal-Konzerten. Fakt. Metallica kommen dann 2019 oder spätestens 2020 wieder nach Österreich. Eine mickrige Studentenbude wie die Wiener Stadthalle wird es dann aber nicht mehr spielen. (Christian Schachinger, 1.4.2018)