Innsbruck – Wie ein Kätzchen umstreicht er die Beine des Heiligen, schlummert miezengleich zu seinen Füßen oder schlabbert Wasser von einem Teich, wobei ihm die Mähne wie die Schlappohren eines Hundes ins Nass hängt. Warum der Löwe, Attribut des heiligen Hieronymus, als schmusezahmes Tierchen dargestellt wird, dafür gibt es eine Erklärung: Der Gelehrte und Theologe aus dem fünften Jahrhundert soll dem Leu einen Dorn aus der Pranke gezogen haben, worauf das Tier ihm treu ergebener Gefährte wurde.
Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum kann man diese netten Viechereien nun in der Ausstellung Cranach natürlich. Hieronymus in der Wildnis nachvollziehen. Siebzehnmal hat Renaissancekünstler Lucas Cranach der Ältere – mal mit, mal ohne Werkstatt – den heiligen Hieronymus als Büßer in der Einöde gemalt, so zumindest der aktuelle Forschungsstand. Neben dem Cranach aus eigener Kollektion zeigt das Museum vier weitere dieser Tafelbilder – ergänzt durch allerlei Vergleichswerke, etwa von Albrecht Dürer oder dem Südtiroler Meister Marx Reichlich.
Hieronymus, der sich in Rom Studien der Rhetorik und Philosophie gewidmet hatte, ist vor allem dafür bekannt, dass er als Eremit in Syrien lebte. Er sah die Wüste als Ort der Buße an, beschrieb diesen als "Kerker für mein sündiges Fleisch". Hieronymus war ein Modeheiliger jener Zeit, der Büßer in der Landschaft ein Lieblingsthema des 16. Jahrhunderts, was erklärt, warum Cranach d. Ä. derart oft und kreativ dasselbe Thema variierte.
Ob das Sujet allerdings mehr das Askeseverlangen jener Tage befriedigte oder man eher an der Idee, in der völligen Abgeschiedenheit Inspiration zu finden, Gefallen fand, ist der Wissenschaft unklar. Um 1515 zeigte Cranach den Heiligen jedenfalls an einem aus Steinen und Holz improvisierten Tisch. Die Einsamkeit sollte der Eremit in einem anderen Brief auch "Paradies" nennen.
Es kreucht, fleucht, sprießt
Wer sich aufgrund der Prominenz der Marke Cranach eine große Präsentation erwartet hat, dem sei verraten, dass es sich vielmehr um eine Kabinettausstellung handelt. Kein Fehler, denn der Fokus ermöglicht, sich auch der von Malern jener Zeit begierig ergriffenen Chance zu widmen, die Natur rund um den heiligen Hieronymus darzustellen. Und so kreucht, fleucht und sprießt es in den Malereien, dass es eine Wonne ist: vom Eichhörnchen über Biber bis zu Falken, Finken und drolligen Fabelwesen. Neben dem üppigen Blattwerk der Bäume wohl keine wüstentypische Flora und Fauna. Cranach übertrug, das erläutert Helena Pereña im zur Lektüre empfohlenen Katalog, die Wüste in den mitteleuropäischen Wald, also auch eine Wildnis. Die verwandelte sich vom spätmittelalterlichen Ort voller Bedrohungen, Dämonen, Außenseiter allmählich zu einem paradiesischen Rückzugsort. Famos. (Anne Katrin Feßler, 4.4.2018)
Bis 7. 10.
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