Patricia Thielemann: "Spirit Yoga".
220 Seiten / 20,60 Euro.
Gütersloher Verlagshaus, 2017

Yoga ist kein Fitnessprogramm, sondern eine Philosophie mit Körperübungen: In der westlichen Welt gerieten die beiden Aspekte schnell durcheinander, schreibt Patricia Thielemann in ihrem Buch.

Wer es schon einmal ausprobiert hat, wird es wissen. Die Atmosphäre in einem Yogastudio ist anders als in einem Turnverein. Da gibt es fürs Vorher und Nachher die gemütlichen Ecken mit Sitzsofa, um die Erfahrungen in der Stunde zu bereden und zum Ausklang noch einen Tee zu trinken.

In den vergangenen Jahren sind Yogastudios wie Pilze aus dem Boden geschossen. Es gibt verschiedene Yogarichtungen, hunderte Lehrer und genauso viele Arten, die Bewegungen zu unterrichten. Und wie so oft kommt es auf den Lehrer oder die Lehrerin an: Wie choreografiert sie die Stunde? Gibt es Musik oder nicht? Was wird geredet? Wie wird verbessert? Wie schön ist der Yogaraum? Wie stinkig (oder nicht) sind die Matten? Gibt es eine Dusche – oder eben nicht, weil "Yogischweiß" bekanntlich kaum duftet?

Das Dasein mit Yoga

Wer wissen will, wie sich das Leben eines Yogalehrers so anfühlt, sollte Patricia Thielemanns Buch "Spirit Yoga" lesen, das sie sicherlich aus Gründen der Selbstvermarktung geschrieben hat. Sie gilt als Pionierin des Yoga in Deutschland. Und wie sie dazu kam, beschreibt sie in diesem über weite Strecken als Autobiografie zu lesenden Buch. Da ist ihre recht schwierige Kindheit, ihr Traum, Schauspielerin zu werden, ihre Yoga-Ausbildung in Kalifornien, ihre Übersiedlung nach Berlin und die Anfänge von Yoga in Deutschland.

Patricia Thielemann lässt ein Stück Yoga-Geschichte Revue passieren, ordnet ein, erklärt ihre Grundsätze und Grenzen. "Yoga kann so schiefgehen", gibt sie auch ganz offen zu. Vor allem dann, wenn die Menschen Yoga mit einer esoterischen Heilslehre verwechseln, wie sie es immer wieder erlebt. Sie grenzt sich in diesem Buch sehr deutlich von falschen Versprechungen ab und beschreibt ihre Position als vernunftorientiert. "Selbststeuerung" ist ein Begriff, den sie dabei häufig verwendet. Sehr deutsch, könnte man sagen, wenn da nicht dieser recht amerikanische Touch wäre, der totale Offenheit vermitteln will.

Wiederum sehr europäisch ist die Selbstkritik an der Szene. Patricia Thielemann thematisiert auch immer wieder, was alles schiefgehen kann, und meint damit falsche Versprechungen (in 30 Tagen fit mit Yoga) genauso wie falsche Erwartungen. Sie rückt Dinge zurecht. Das tut gut in der überhitzten Yoga-Szene, in der es nicht selten ja auch ums Rechthaben geht – etwa, welcher Yoga-Stil der beste ist.

Viele Standpunkte

Ungewöhnlich für ein Yoga-Buch sind Gespräche mit Menschen, die Patricia Thielemann auf ihrem Weg beeinflusst haben. Ihnen gibt sie Raum für Interviews. Einem katholischen Pater zum Beispiel, der überaus amüsant vier weltanschaulich unterschiedliche Yoga-Richtungen destilliert. Eine Form des Yoga sei einfach nur ein "Rückenprogramm mit einer kleinen Dosis Spiritualität", ist da zu lesen, eine andere Art feiert "Yoga als Woodstock-Revival". Sie hat aber auch mit dem Schriftsteller Daniel Kehlmann geredet oder einer Reihe anderer Autoren, die ihr Denken bestimmen.

Wenn es um die eigentlichen Körperübungen geht, hat Patiricia Thielemann sich auf die zehn für sie wichtigsten beschränkt. Inklusive einer Beschreibung, warum das so ist. Diese Reduktion auf das Wesentliche ist schön zu lesen und gibt sicherlich Stoff, um sich in der Yoga-Szene sicher und wohl zu fühlen. Nach der Stunde beim Tee zum Beispiel. (Karin Pollack, 16.4.2018)