Mit über elf Prozent war die Arbeitslosigkeit unter Akademikern 2017 in Wien die höchste im Land. Der Durchschnitt lag unter vier Prozent.

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Wien – Alt und Jung, vom Westen bis Osten, egal ob Akademiker oder Lehrling, der Trend ist überall im Land gleich: Die Arbeitslosigkeit geht deutlich zurück. Rund 32.000 Menschen weniger waren im März auf Jobsuche im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig stieg die Gesamtbeschäftigung um fast 100.000 Personen, vorwiegend durch Zuwanderung. Noch dynamischer entwickelte sich der Stellenmarkt. Im März gab es in Österreich um 24 Prozent mehr sofort verfügbare Jobs, wie das Arbeitsmarktservice (AMS) am Dienstag bekanntgab.

Für die Arbeiterkammer war die gute Nachricht Anlass, die Arbeit des AMS zu loben und vor einem möglichen Personalabbau zu warnen: "Wer beim Personal den Rotstift ansetzt, spart am falschen Fleck", heißt es in einer Aussendung. Vergangene Woche hatte die Regierung mitunter die Mittel für das Integrationsjahr – und damit verbunden AMS-Kurse – für Asylberechtigte halbiert. Insgesamt wurde das Förderbudget pro Kopf im Vergleich zum Vorjahr aber aufgestockt.

Rangverlust in Europa

Auf den Wermutstropfen bei den aktuellen Arbeitsmarktzahlen wiesen Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer hin: Österreich verliert einen weiteren Rang bei den niedrigsten Arbeitslosenquoten im EU-Vergleich und teilt sich nunmehr mit Estland den elften Platz. Während die Regierungspläne für das AMS auf Zustimmung der Wirtschaftsvertreter treffen, lautet eine wesentliche Forderung, Regeln für die Arbeitszeit flexibler zu gestalten und die Einstellung qualifizierter Ausländer aus Drittstaaten zu vereinfachen.

Tatsächlich ist Österreich in in der EU-Rangliste binnen vier Jahren vom Spitzenplatz aus den Top Ten gefallen und liegt jetzt unmittelbar hinter Luxemburg, Dänemark und Rumänien. Betrachtet man jedoch die Entwicklung der Beschäftigung in Österreich und jenen EU-Ländern mit geringerer Arbeitslosenquote, zeigt sich ein gemischtes Bild. Innerhalb dieser Spitzengruppe stieg die Zahl der Beschäftigten zwischen 2008 und 2016 in nur vier Ländern stärker als in Österreich (Eurostat hat noch keine aktuelleren Jahresdaten). Die niedrige Arbeitslosenrate in Rumänien etwa führen Experten auf die starke Abwanderung zurück.

Österreich ist ein attraktiver Arbeitsmarkt, der sowohl qualifizierte Einwanderer anzieht als auch viele Menschen mit geringer Ausbildung. Insgesamt hatten es Geringqualifizierte schwer: 2017 hatten über 150.000 Arbeitslose, knapp die Hälfte, maximal einen Pflichtschulabschluss. Aber nur ein Drittel aller offenen Stellen verlangte keine spezielle Qualifikation, wie eine aktuelle Auswertung des AMS zeigt. Auf jede offene Stelle für niedrig Qualifizierte kamen acht Arbeitslose mit maximal Pflichtschulabschluss.

Bei den Fachkräften ist die Situation anders: Fast die Hälfte aller gemeldeten offenen Stellen verlangten einen Lehrabschluss, aber nur ein Drittel der Jobsuchenden hatte einen. Auf jede Stelle für eine Fachkraft kamen vier Arbeitslose mit Lehrabschluss.

Besonders ungünstig ist laut den Daten das Verhältnis bei Akademikern: Auf jede gemeldete Stelle, die einen Uni- oder FH-Abschluss verlangte, kamen im Vorjahr 14 mit entsprechendem Abschluss. Mit 3,4 Prozent war die Arbeitslosenquote unter Akademikern aber immer noch die niedrigste im Land – ein mögliches Indiz für Überqualifikation. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass Stellen für Akademiker eher selten dem AMS gemeldet werden.

Schlusslicht Wien

Die Zahlen zeugen von einem "Mismatch" zwischen Anforderungen der Arbeitgeber und den Qualifikationen der Bewerber. Noch markanter waren regionale Unterschiede. Während die Akademikerarbeitslosigkeit in Oberösterreich bei zwei Prozent lag, war es in Wien doppelt so hoch – höher als unter Facharbeitern im Oberösterreich. Das Arbeitslosigkeitsrisiko für Personen mit Pflichtschulabschluss schwankt zwischen 15 Prozent in Vorarlberg und 36 Prozent in Wien. Demnach dürfte ein Wohnortwechsel bei der Jobsuche mehr helfen als eine zusätzliche Ausbildung. (Leopold Stefan, 4.4.2018)