Proteste gegen die Festnahmen in Prishtina.

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Der Prediger Fethullah Gülen hat nun selbst zu den mutmaßlichen Entführungen durch den türkischen Geheimdienst im Kosovo Stellung genommen. "Wir erleben turbulente Zeiten, und wir haben eine Katastrophe vor uns. In letzter Zeit haben Kidnapper Menschen aus dem Kosovo entführt", sagt Gülen in einem Video. Er vergleicht darin den Kosovo mit Pakistan und Myanmar, wo ebenfalls türkische Agenten derartige Operationen durchgeführt haben sollen.

Mittlerweile hat sich ein Komitee für die Entführten gebildet. Die Familien der sechs türkischen Staatsbürger, die am 28. März im Kosovo festgenommen und in die Türkei abgeschoben wurden, haben sich mit dem Lehrpersonal der Mehmet-Akif-Schule, in der fünf von ihnen gearbeitet hatten, zusammengetan und sich an die kosovarische Öffentlichkeit gewandt. Der Entführungsfall ist im Kosovo zurzeit das wichtigste Politikum.

Kosovarischer Premier war nicht informiert

Die Türkei hatte nach der Aktion angegeben, dass sie gemeinsam mit den Sicherheits- und Geheimdienstbehörden im Kosovo die Operation durchgeführt habe. Offenbar hatte der türkische den kosovarischen Geheimdienst instrumentalisiert.

Jedenfalls hat der türkische Geheimdienst es im jüngsten Staat Europas fertiggebracht, die sechs Türken zu entführen, ohne dass Premierminister Ramush Haradinaj davon in Kenntnis gesetzt wurde.

Erdoğan kündigt weitere Einmischungen an

Haradinaj entließ am darauffolgenden Tag deshalb Innenminister Flamur Sefaj und Geheimdienstchef Driton Gashi. Zudem ermittelt seit Donnerstag der kosovarische Volksanwalt Hilmi Jashari in der Angelegenheit. Er sieht eine mögliche Verletzung des Ausländergesetztes und einen Widerspruch zu internationalen Normen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan behauptete daraufhin, Haradinaj wolle "Terroristen" beschützen. "Es ist ein historischer Fehler, den Geheimdienstchef und den Innenminister zu feuern, die uns die Mitglieder der Feto-Terrororganisation geliefert haben", sagte Erdoğan. "Die haben nur ihre Pflicht erfüllt." Erdoğan kündigte an, dass die Operation im Kosovo nicht die erste gewesen sei und auch nicht die letzte sein werde.

Haradinaj replizierte daraufhin, dass sich niemand in innerkosovarische Angelegenheiten einmischen könne. "Die Reaktionen des Präsidenten sind für mich unverständlich. Wir mischen uns nicht in die innertürkischen Angelegenheiten ein, und das sind unsere internen Angelegenheiten."

Druck auf südosteuropäische Staaten

Seit dem Putschversuch vom Juli 2016 übt die türkische Regierung Druck auf die Balkanstaaten aus, in denen es Schulen der Gülen-Bewegung gibt. Sie werden aufgefordert, die Gülen-Anhänger auszuweisen, denn die Türkei wirft der Gülen-Bewegung vor, hinter dem Putschversuch zu stecken. Bislang haben die Balkanstaaten aber dem Druck standgehalten. Im Vorjahr wurde zwar ein türkischer Lehrer im Kosovo festgenommen, doch dem Auslieferungsantrag der Türkei wurde nicht stattgegeben. Mitunter war es sogar umgekehrt, und Gülen-Anhänger flüchteten aus der Türkei nach Südosteuropa.

In der Türkei droht Anhängern des islamischen Predigers eine Anklage wegen Verschwörung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Sie müssen mit lebenslanger Haft rechnen, zudem kann ihr Besitz beschlagnahmt werden. (Adelheid Wölfl, 4.4.2018)