Jede der 573 niederösterreichischen Gemeinden hat Mathias Huter von der Bürgerrechts-NGO Forum Informationsfreiheit (FOI) um Auskunft gebeten.

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FOI-Vorstand Barth: Kritische Fragen von Bürgern sollen abgeblockt werden.

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Retz gab schnell und unbürokratisch Auskunft.

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An sich war es eine gute Idee, noch dazu eine im öffentlichen Interesse: Das Forum Informationsfreiheit (FOI), ein gemeinnütziger Verein und eine Bürgerrechts-NGO, nahm die Recherchen von STANDARD und dossier.at zum Wahlrecht für Zweitwohnbesitzer zum Anlass, um selbst noch einmal nachzuhaken.

Jede einzelne der 573 niederösterreichischen Gemeinden hat FOI-Experte Mathias Huter Mitte März gefragt, wie viele Personen aus dem Wählerverzeichnis gestrichen wurden, wie viele davon ihren Hauptwohnsitz nicht in Niederösterreich hatten, wie viele von der Streichung direkt informiert wurden und wie viele schließlich die Streichung beeinspruchten. Alles Fragen, so betont man beim FOI, "die das Wahlrecht betreffen und in einer Demokratie kein Geheimnis sein dürfen".

Gleichlautende Briefe

Die ersten 20 Antworten auf die Anfrage kamen relativ rasch, die Stadtgemeinde Retz etwa antwortete binnen einer Stunde. Doch dann stockte der Informationsfluss plötzlich. Beim Forum Informationsfreiheit trudelten nur noch gleichlautende Briefe ein, in denen recht umständlich erklärt wird, dass es kaum etwas zu sagen gebe. Ganze Absätze im Retourbrief gleichen einander.

So schreiben etwa gleichlautend die Marktgemeinden Warth und Sallingberg unisono, es sei "nicht Aufgabe der Gemeinde, bei der Auflage des Wählerverzeichnisses nach anderen Wohnsitzqualitäten zu differenzieren". Dafür verrechneten beide gleichlautend eine "vorgeschriebene Gebühr von 14,30 Euro". Begründung: Die Gebühr falle an, weil die Anfragen des Vereins "Privatinteressen der Einschreiter betreffen".

Privatvergnügen?

"Die Bürgermeister unterstellen uns damit, dass Transparenz beim Wahlrecht zu schaffen unser Privatvergnügen wäre", sagt FOI-Vorstand Josef Barth. Er hat nachgerechnet: Über 100 Briefe sind schon eingetroffen, nach den ersten 20 Prozent fast alle mit Gebührenforderungen. Im schlimmsten Fall droht dem Verein eine Gebührenschuld von 7.500 Euro, für die Barth, ehemaliger Journalist und Gründer der Initiative transparenzgesetz.at zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses, persönlich haftet.

"Offenbar haben sich die Gemeinden abgesprochen", sagt der Anfrage-Experte der NGO, Mathias Huter. Dass einige Gemeinden wiederum gemerkt haben, dass hier nicht eine Einzelperson etwas wissen wollte, zeige sich schon daran, dass sie ihre Anfragebeantwortung direkt an die NGO-Plattform fragdenstaat.at adressierten.

"Exempel statuiert"

Vereinsvorstand Barth glaubt, "dass hier ein Exempel statuiert werden soll": "Damit sich kein normaler Bürger mehr getraut, kritische Fragen zu stellen, aus Angst vor den Kosten." Was passiert, wenn die Gebührenschuld schlagend wird? "Sollten die Gemeinden das nicht zurückziehen, müssen wir binnen zwei Wochen zahlen." Man werde aber danach die Rechtslage für Rückforderungen ganz genau prüfen.

2015 hat der Verein den Demokratiepreis des Österreichischen Parlaments bekommen. Barth: "Der wird dann wohl dafür draufgehen." (Petra Stuiber, 5.4.2018)