Reaktion auf Donald Trumps Angelobung "Democracy Dies in Darkness" steht unter dem Logo der "Washington Post".

Foto: Washington Post Screenshot

Perugia/Wien – "Der Faschismus ist zurück. Ist Journalismus Teils des Problems oder der Lösung?" fragt das Mittwoch beginnende Journalismufestival in Perugia. Wie Medien auf die neue Situation reagieren, erklären Diskussionsteilnehmerin Milica Pesic vom Media Diversity Institute und der deutschen Journalisten und Autoren Michael Kraske vorweg.

"Democracy Dies in Darkness!" Als Antwort auf die Angelobung Donald Trumps änderte die "Washington Post" ihr Motto. Die "Post" gibt sich damit eine neues Selbstbewusstsein. Wir für die Demokratie, wir gegen Trump! Der Aufstieg des Rechtspopulismus auf beiden Seiten des Atlantiks zwingt die Medien zur Selbstreflexion. Die brennende Frage: Wie bindet man jene in den Diskurs ein, die sich nicht an die demokratischen Spielregeln halten? Die Antworten reichen von antagonistischen Boykott, über vorauseilenden Gehorsam bis hin zu publizistischen Rückenwind. Letzterer, getragen von Facebook und Twitter, kommt vor allem von Neuen rechten Medien und droht, die Spielregeln komplett über den Haufen zu werfen.

Das Potential

17 Prozent in Italien, 26 Prozent in Österreich, 13 Prozent in Deutschland, 34 Prozent in Frankreich. Egal, wer wählt, überall erzielen nationalistische Parteien kräftigen Zuwachs. Mit kalkulierten Tabu-Brüchen, meistens auf Kosten von MigrantInnen, sichern sie sich die Aufmerksamkeit der Medien und bauen auf den Ängsten, welche die Wirtschafts- und die Flüchtlingskrise bei den Menschen hinterlassen haben. Damit erreichen sie Schichten weit über ihre Kernwählerschaft hinaus. Auf Deutschland bezogen sagt der freie Journalist Michael Kraske: "Ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben nur zirka fünf bis zehn Prozent, das ist seit Jahrzehnten konstant. Aber durch die Flüchtlingsthematik sind auch Menschen bereit, der AfD ihre Stimmen zu geben, die diese Einstellungen nicht teilen. Bei einer ernsten Krise, beispielsweise einem Terroranschlag, könnte die AfD durchaus auf 30 Prozent kommen."

Wer behält die Meinungsführerschaft?

Zur Grundeigenschaft der potentiellen Rechts-Wähler gehört häufig auch eine ausgeprägte Medienskepsis. Diese wird zunehmend offensiver und drückt sich aus in Manipulations- und Lügenvorwürfe. Um den entgegenzutreten, versuchen klassischen Medien vor allem jenes Thema anzusprechen, das diese Gruppe beschäftigt: Die Flüchtlingsfrage.

Diese ist mittlerweile überpräsent und drängt Themen wie Digitalisierung, Arbeitslosigkeit oder der Kampf gegen Korruption und Steuerfluchtbekämpfung in den Hintergrund. Für Kraske betreiben die Medien vorauseilenden Gehorsam. "Man darf sich auf keinen Fall das Agenda-Setting aus der Hand nehmen lassen. Am Ende muss eine redaktionelle Leitung entscheiden, ob Flüchtlinge wirklich noch das relevanteste Thema sind, oder ob nicht auch wieder über Renten oder Verteilungsgerechtigkeit gesprochen werden sollte".

"Wer sind diese Leute?"

Das gleiche gilt für die systematischen Tabubrüche rechter Politiker. "Zwar ist es wichtig, Grenzen aufzuzeigen, aber die Medien sollten sich davor hüten, unbedeutende Provokationen aufzublasen". Alternativ rät Milicia Pesic vom Londoner Media Diversity Institute: "Gebt dem Publikum mehr Informationen. Wer sind diese Leute, woher kommen sie und was wollen sie? Nur eine Plattform zu bieten reicht nicht."

Aber: Medien stehen unter Dauerbeschuss. "Fake-News" gilt inzwischen als Standardantwort auf unliebsame Berichterstattung. Am Feindbild der Medien bedient man sich aber nicht nur von rechts. In der Slowakei fiel Sozialdemokrat Robert Fico noch als Ministerpräsident immer wieder durch medienfeindliche Ausbrüche auf. "Einige von Ihnen sind dreckige anti-slowakische Huren – und ich bestehe auf diesen Ausdruck" antwortete er beispielsweise 2016 auf die kritischen Fragen einiger Journalisten zur Slowakischen EU-Ratspräsidentschaft. Nach dem Mord an dem Investigativ-Journalisten Ján Kuciak hat der slowakische Regierungschef seinen Rücktritt angekündigt.

Neue Rechte Medien

Das wachsende WählerInnenpotential rechtsextremer Parteien bedeutet auch eine wachsende Leserschaft für Neue Rechte Medien. Steve Bannon hat es vorgemacht. Der ehemalige Chefstratege des US-Präsidenten gestaltete mit "Breitbart News" eine erfolgreiche, rechtspopulistische Nachrichtenplattform.

Sein deutsches Pendant heißt Jürgen Elsässer. Der vom linken zum rechten Spektrum gewechselte Publizist erreicht mit seinem "Compact Magazin" monatlich um die 100.000 Leser. Auch die Online-Plattform der "Blauen Narzisse" und die Wochenzeitung "Junge Freiheit" konnten in den vergangenen Jahren ihre Leserschaft erhöhen. In Österreich gesellte sich zu den üblichen FPÖ-nahen Publikationen "unzensuriert.at", "Zur Zeit" und "Aula" seit 2016 die oberösterreichische Wochenzeitung "Wochenblick".

Sie sprechen jene an, die sich von den traditionellen Medien abgewendet haben. Ihr Erfolg hält sich jedoch in Grenzen. Zwar konnten die meisten ihre Auflage in den letzten Jahren steigern, sie bleiben aber ein Nischenprodukt. Sie schüren gezielt die Skepsis gegenüber traditionellen Medien.

Elitarismus erkennen

Nicht Quantität, sondern Qualität entscheidet schlussendlich darüber, welches Bild durch die Berichterstattung konstituiert und suggeriert wird. Wie Trump in den USA wurde die AfD in Deutschland zunächst nicht ernst genommen. "Besonders Qualitätsmedien haben sich während den Wahlen in Deutschland oder den USA nicht gut geschlagen. Das war Elitarismus. Sie haben gelacht, als Trump in den Wahlkampf startete" kritisiert Pesic.

Medien verfestigten auf diese Weise die Feindbild-Allüren, welche die Populisten predigen und verlieren wichtige Teile der Bevölkerung aus den Augen, so der Vorwurf. "Man muss zu den normalen Menschen gehen und ihnen zuhören. Was macht sie unglücklich? Wer Trump oder die AfD nicht ernst nimmt, nimmt auch die potentiellen WählerInnen nicht ernst", sagt Pesic und fragt: "Wer ist die Gesellschaft, über die wir berichten?"

Quality first

Der Angriff befeuert die Motivation: Viele Medien reagieren auf die öffentlichen Angriffe und Anfeindungen mit einer Qualitätsoffensive. Die "New York Times" hat ihre Investigativ-Abteilung ausgebaut und trennt redaktionell zwischen Meinung und Nachrichten. Andere Medien folgen ihrem Beispiel. Fakten-Check-Seiten sind europaweit auf dem Vormarsch und die Wichtigkeit von erklärenden Details der Recherche ist gestiegen. Journalismus und seine Herkunft müssen für alle nachvollziehbar sein.

"Meiner Meinung nach sollte man sich vor allem an journalistische Grundprinzipien halten, jetzt umso mehr. Das heißt auch ganz klar darauf hinweisen, wo demokratische Spielregeln verletzt werden und wo Demokratieabbau passiert" erklärt Kraske. (Juli Marie Bali, Luca Scheiring, 11.4.2018)