Justizminister Josef Moser ringt derzeit um das Budget für seinen Bereich. Die Oberlandesgerichte verhängen nun ab Mai einen Aufnahmestopp für die Gerichtspraxis.

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Wien – Jungjuristen müssen derzeit um ihre Ausbildung zittern. Wie ein STANDARD-Rundruf in allen Oberlandesgerichten ergab, wird ab Mai österreichweit ein Aufnahmestopp für die Gerichtspraxis verhängt. Grund seien die budgetären Vorgaben der Regierung, die kein anderes Vorgehen zulassen würden: "Es ist eine einzige Katastrophe. Entgegen den ärgerlichen Behauptungen von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und auch Justizminister Josef Moser handelt es sich um keine Missverständnisse oder Ähnliches. Es gibt massive Einsparungen, und wir können keine Rechtspraktikanten mehr bezahlen", sagt Klaus Schröder, Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck, im STANDARD-Gespräch.

Im Sprengel Innsbruck, der die Bundesländer Tirol und Vorarlberg umfasst, seien zumeist zwischen 120 und 130 Gerichtspraktikanten tätig, Schröder müsse nun auf 69 Plätze reduzieren. Den Aufnahmestopp habe er vorerst für Mai und Juni verhängt. "Dann muss ich evaluieren, wie wir weiter vorgehen." Darüber hinaus könne heuer kein einziger Lehrling mehr aufgenommen werden. Aktuell werden in der Verwaltung des Oberlandesgerichts Innsbruck rund 40 junge Leute ausgebildet.

Ende "nicht absehbar"

An den drei anderen Standorten der heimischen Oberlandesgerichte – Wien, Graz und Linz – ist die Situation ähnlich: "Wir haben einen Aufnahmestopp für Mai verhängt, wie es danach weitergeht, ist derzeit nicht absehbar", sagt ein Sprecher des Oberlandesgerichts Wien. Der Sprengel Wien umfasst auch die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland. In starken Monaten würden dort bis zu 120 studierte Juristen für die weitere Ausbildung aufgenommen und auch an Staatsanwaltschaften sowie an Landes- und Bezirksgerichte vermittelt.

Die Gerichtspraxis ist für zahlreiche juristische Berufe Voraussetzung. Neben Richtern müssen sie auch Rechtsanwälte und Notare absolviert haben, um praktizieren zu dürfen. "Der unumgängliche Aufnahmestopp bedeutet für viele junge Juristen nun eine deutliche Verzögerung in ihrem beruflichen Fortkommen", sagt Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung.

Aber auch innerhalb der Justiz würden die Rechtspraktikanten fehlen: "Die Auszubildenden sind längst zu Systemerhaltern geworden. Sie arbeiten als Schriftführer und übernehmen zahlreiche andere Aufgaben. Diese Arbeitskräfte werden wir dann nicht mehr haben", fürchtet Matejka.

"Massiver Stau" befürchtet

Einige Bewerber, die sich für die kommenden Monate um eine Stelle in der Gerichtspraxis beworben haben, wurden über den Aufnahmestopp bereits schriftlich informiert. Am Oberlandesgericht Graz wird ein "massiver Stau" befürchtet, da nun Wartelisten erstellt werden müssten. "Durch die budgetäre Situation sind uns aber leider die Hände gebunden", sagt Sprecherin Elisabeth Dieber.

Bereits seit Wochen wird über das Justizbudget heftig diskutiert. Mehr als 5000 Justizmitarbeiter hatten eine Protestnote mit dem Titel "Justiz wird totgespart – Rechtsstaat in Gefahr!" unterschrieben. Am Mittwoch verkündeten Vizekanzler Strache (FPÖ) und Justizminister Moser (ÖVP) dann, dass in einem Telefonat "Missverständnisse" ausgeräumt werden konnten. Strache betonte auch, dass zugesagte Planstellen gesichert seien und es keinen Abbau gebe. "Das entbehrt jeder Realität", erwidert der Oberlandesgerichtspräsident Schröder.

Gespräche mit Justizressort im Mai

Auf Anfrage im Justizministerium wird dem STANDARD zunächst ausgerichtet: "Über die weitere Vorgehensweise bezüglich der Finanzierung der Ausbildungsplätze wird im Mai ein Gespräch mit den Präsidenten der Oberlandesgerichte stattfinden." In einer Stellungnahme gegenüber der APA am späten Donnerstagabend hieß es seitens des Ressorts dann, es werde keinen Aufnahmestopp geben, "da ein Rechtsanspruch auf die Gerichtspraxis besteht". (Katharina Mittelstaedt, 5.4.2018)