Die Abgase der alten Dieselautos und der omnipräsente Rauch von Müll, der am Straßenrand oder mitten auf der Straße verbrannt wird, legen sich wie ein unangenehmer, schmutziger Schleier auf die Haut. Die Luft in Conakry, der Hauptstadt Guineas, ist heiß und drückend.

Besonders jetzt, am frühen Nachmittag, wenn der 48-jährige Ibrahim Diallo von einem Kurzbesuch in der Moschee in sein Kaffeehaus zurückkommt. Eine Handvoll Männer sitzt um diese Zeit unter dem aufgeheizten Wellblechdach, die meisten bestellen "Ronson Café": einen Espresso aus einer umgebauten Bialetti-Maschine und zwei Zigaretten der Marke Ronson. Eingehüllt von Kaffee- und Zigarettengeruch erzählt Diallo seine Geschichte.

Mit seinem Kaffeehaus in Conakry kann Diallo sich und seine Familie über Wasser halten. Geld für die Zukunft kann er sich so aber nicht ansparen.
Foto: Tiefenthaler

"Wirtschaftsflüchtling"

Acht Jahre lang hat er als Asylwerber in Deutschland gelebt. An seine Zeit in Europa hat er einige gute und viele schlechte Erinnerungen. Diallo war jemand, auf den die vielstrapazierte Bezeichnung "Wirtschaftsflüchtling" zutrifft. Jemand, der aus einem Land geflohen ist, in dem 1999 das jährliche Pro-Kopf-Einkommen bei knapp 700 Euro lag.

Mit dem Flugzeug und einem Visum kam er in Frankreich an und reiste weiter nach Deutschland. Stationen in Mannheim und Stuttgart folgten, gewohnt hat er immer in Flüchtlingslagern. Arbeiten durfte er in den acht Jahren als subsidiär Schutzberechtigter nie. Auch in Haft war er in Deutschland, knappe drei Jahre lang. Warum, möchte er nicht sagen. Nur, dass er dort endlich Deutsch lernen konnte.

Rund 180 Euro wirft das Kaffeehaus im Monat ab.
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Niedrige Schutzquote

2008 wurde Diallo abgeschoben, als einer von 41 Personen in diesem Jahr. Die Schutzquote für Guineer ist nicht sehr hoch, 2017 erhielten nur 16,7 Prozent der Antragsteller Schutz in Deutschland. Der Großteil der abgelehnten Asylwerber reist offiziell freiwillig wieder aus. In Europa waren es 2017 insgesamt 18.535 Guineer, die einen Asylantrag stellten.

Die Europäische Union bemüht sich aktuell um den Abschluss eines "Rückführungsabkommens" mit Guinea. Derzeit können Abschiebungen dadurch verhindert werden, dass Herkunftsländer die Einreise verweigern. Ein Abkommen würde diese Hürde aus dem Weg räumen.

"Europa ist ein Gefängnis, aber es werden die Gesetze eingehalten. Hier bist du frei, aber Politik und Polizei sind korrupt", sagt Diallo.
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"Europa ist ein Gefängnis"

Zurück in Guinea, begann ein schwieriger Neuanfang für Diallo. Der Kontakt zu seiner Familie war abgerissen. Erst als er seine Mutter fand, besserte sich die Situation: Er heiratete bald und eröffnete das Kaffeehaus. Sein Blick auf Europa hat sich nach seinem Aufenthalt in Deutschland verändert, aber auch jener auf sein Heimatland: "Europa ist ein Gefängnis, aber es werden die Gesetze eingehalten. Hier bist du frei, aber Politik und Polizei sind korrupt", sagt Diallo. Dafür braucht er in Guinea für sich und seine Familie am Tag in etwa so viel Geld, wie ein Packerl Zigaretten in Deutschland kostet, erklärt er lakonisch. Insgesamt leben er und seine Familie von 180 Euro im Monat.

Der Kaffeehausbesitzer wohnt mit seiner Frau und den vier Kindern in einem Haus – "selbst gebaut natürlich" – etwa fünf Minuten zu Fuß entfernt. Abseits der asphaltierten Hauptstraße des Viertels bestehen die Verkehrswege aus rotbraunem Staub und Geröll. Die Straße führt vorbei an halb fertigen Häusern, in denen Kinder herumtoben. Das sei das Problem in Afrika, sagt der 48-Jährige und zeigt auf die Betonskelette ohne Dach: "Die Leute fangen mit dem Bauen an, auch wenn sie nur Geld für das Fundament haben." Anders als in Europa leben die Menschen in Guinea zu sehr im Heute, für morgen werde nicht vorgesorgt, klagt Diallo. Er nennt zahlreiche Probleme: Nach wie vor gebe es nur ein rudimentäres Schulsystem, das fast ausschließlich privat finanziert wird. Frauen bekämen zu viele Kinder, und Verhütung sei ein Tabu.

Verbreiteter Analphabetismus

Die Zahlen geben ihm recht. 2015 lag die Analphabetenquote bei knapp 70 Prozent, die Einschulungsquote im Primarschulbereich bei 50 Prozent. Frauen bekommen im Durchschnitt fünf Kinder. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 980 Euro im Jahr. Anders als viele seiner Landsleute will Diallo trotzdem nicht noch einmal weg. Er betont jedoch, dass die Hilfe aus Übersee dringend benötigt wird. Seine Kinder gehen auf eine Schule, die von einer NGO finanziert wird.

Dem 48-Jährigen bleibt im Monat nichts übrig, Sparen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Deswegen träumt er von einem Auto und einem Job als Taxifahrer, so könnte er Geld auf die Seite legen. Er steht vor dem Autohof eines Gebrauchtwagenhändlers und zeigt auf einen mindestens fünfzehn Jahre alten Kombi: "So einer wäre gut – am besten aus Deutschland." (David Tiefenthaler aus Conakry, 7.4.2018)