"Ich will dem Gast ein Wohnzimmer bieten", beschreibt der Gastronom Bernd Schlacher sein kommendes Hotelprojekt.

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STANDARD: Sie sind mit mehreren Lokalen – jetzt noch Motto am Fluss und Halle im Museumsquartier – und Ihrem Catering-Geschäft seit Jahrzehnten ein fixer Bestandteil der Wiener Gastronomie und Barszene. Jetzt kommen noch Hotels hinzu. Sehen Sie sich angesichts ständig neuer Projekte als Jungunternehmer?

Schlacher: Ich mache meinen Job schon seit 35 Jahren. Zu den Jungunternehmern zähle ich mich nicht mehr. Ich habe zwar einige Start-ups, wie man heute sagt, hervorgebracht, bin aber trotzdem ein Altunternehmer.

STANDARD: Mit 52 könnte man auch leisertreten. Woher kommt der Antrieb?

Schlacher: Ich brauche Änderungen und neue Herausforderungen. Bei Stillstand bekomme ich Depressionen. Österreich ist ein Land, in dem man noch wahnsinnig viel machen kann. Vor allem weil wir im Vergleich zu den Amerikanern alles etwas langsam angehen. Ich bin seit dem Alter von 21 Jahren immer selbstständig gewesen und habe gute Erfahrungen damit gemacht. Natürlich hat man viele Nachteile.

STANDARD: Sie sprechen Arbeitseinsatz und Bürokratie an?

Schlacher: Vor allem kleine Betriebe haben es nicht leicht. Wenn Sie länger in Krankenstand sind, können Sie zusperren. Da kenne ich einige Fälle. Ich könnte Bücher darüber füllen, wie schwierig es ist, Unternehmer zu sein.

STANDARD: Ein Beispiel?

Schlacher: Im Motto haben wir einmal eine Strafe ausgefasst, weil in der Küche ein Loch im Fliegengitter war. Gleichzeitig haben wir einen Stand auf dem Rathausplatz betrieben. Da machte es nichts aus, dass im gleichen Betrieb mit den gleichen Mitarbeitern die Vogerln auf die Grillplatte geschissen haben. So viel zu den Gesetzen.

Im Motto am Fluss lässt sich Bernd Schlacher eine Süßkartoffelsuppe servieren. Selbst kocht er auch gerne, allerdings nicht auf Topniveau, wie er selbst einräumt. Da wird gelegentlich schon einmal der Chefkoch telefonisch um Rat gefragt.
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STANDARD: Vom Unternehmertum konnte Sie die Episode aber offensichtlich nicht abhalten?

Schlacher: Nein. Österreich ist ein supertolles Land und hat mir viel Glück beschert. Aber ich musste auch einen hohen Arbeitseinsatz leisten. Vor allem in den Anfangsjahren. Heute sage ich meinen Mitarbeitern oft: Bis etwas blüht, was man sät, dauert es etwas. Danach kann man dafür ernten. Am Anfang habe ich keinen Urlaub gemacht und am Wochenende gearbeitet, wenn alle Freunde weggefahren sind. Aber ich habe es wirklich gern gemacht, auch wenn es 70, 80 Wochenstunden waren. Jetzt ernte ich auch.

STANDARD: Die neue Regierung bringt einige Erleichterungen für Restaurants und Hotels. Die Steuer auf Nächtigungen sinkt, das Rauchverbot wird zurückgenommen. Viel frischer Schwung für die Gastronomen?

Schlacher: Ich sehe ein kleines Lüftchen. Wir leiden unter enormer Bürokratie und hohen Strafen. Mir kommt vor, den Behörden macht es richtig Spaß, wenn sie bestrafen dürfen.

STANDARD: Viele Wirte sind über den Umkehrschwung beim Rauchen erleichtert.

Schlacher: Das Rauchergesetz finde ich vollkommen vertrottelt. Man muss nur Mediziner fragen, was Rauchen bewirkt. Überall anders funktioniert es auch, außer im ehemaligen Ostblock. Wir schreiten da in die 90er-Jahre zurück. Rauchen ist eine schwere Sucht, und wenn ich nicht rauchen kann, geht das Aufhören viel leichter. Ich weiß, wovon ich spreche.

STANDARD: Derzeit sind zwei Hotels in Planung. Wie sieht Ihr Konzept für das Hotel Kummer in der Mariahilfer Straße aus?

Schlacher: Das Hotel Kummer wird komplett ausgehöhlt und soll 2020 aufsperren. Das Gebäude gehört der Wertinvest von Michael Tojner, ein Jugendfreund von mir, ich betreibe das Hotel. Heißen wird es Hotel Motto. Es wird ein Boutiquehotel mit 92 Zimmern.

STANDARD: Was reizt Sie daran? Es gibt ja ausreichend Hotels.

Schlacher: Viele Hotels in Wien sind Schlafzimmer, in die man vor und nach dem Sightseeing oder Business zum Schlafen kommt, um dann rasch wieder abzuhauen. Ich will dem Gast ein Wohnzimmer bieten. Das heißt Aufenthalt mit Lounge, Restaurant, Bar und Schlafzimmer. Die anderen Hotels haben zwar auch ein Restaurant, aber da gehen fast keine Wiener hin. Ich würde es umdrehen. In London, Paris oder New York sind solche Hotels begehrt, in denen die Einheimischen essen und feiern.

STANDARD: Die Mariahilfer Straße ist untertags sehr belebt, am Abend stirbt sie aber aus. Nicht gerade ein Ort zum Feiern.

Schlacher: Ich war überall Pionier. Das Motto im fünften Bezirk – das war damals eine abgefuckte Gegend. Die Kunsthalle am Karlsplatz war eine reine Verkehrsinsel. Rund um das Motto am Fluss hier auf dem Donaukanal gab es nichts außer Ratten. Ein bisschen Stadtentwicklung mache ich recht gerne.

STANDARD: Dann gibt es noch das Hotelprojekt Post in der Wiener Innenstadt. Was planen Sie dort?

Schlacher: Dort sind 150 Zimmer und Apartments im obersten Stock geplant, die man auch kaufen oder mieten kann. Das mache ich wieder mit Wertinvest gemeinsam. Das Wohnprojekt wird von der Soravia-Gruppe entwickelt. Im Hotel sind ein Restaurant und ein Seminarbereich geplant. Wir werden mit einer internationalen Hotelkette zusammenarbeiten, es aber selbst betreiben. Das ist ein Franchisesystem, aber unter unserem eigenen Namen. Den verrate ich noch nicht, aber Motto wird es in dem Fall nicht sein.

STANDARD: Was kommt als Nächstes? Offenbar suchen Sie ständig neue Herausforderungen.

Schlacher: Keine Ahnung. Ich suche nicht, aber es ergibt sich immer etwas. Jetzt bin ich einmal drei Jahre mit den Hotelprojekten ausgelastet, dann bin ich eh fast 60. Wenn es keinen Spaß macht, greife ich keine neuen Projekte an. Es muss vom Bauchgefühl her passen, ein Herzensprojekt sein.

STANDARD: Begonnen hat ja alles bei der ÖBB. Wie kam das?

Schlacher: Ich bin mit 15 von der Steiermark nach Wien gegangen und habe in Floridsdorf in der Brünner Straße eine Lehre als Elektromechaniker und Maschinenbauer begonnen. Das ist mir schwer auf den Nerv gegangen. Am letzten Tag der Lehre habe ich gekündigt. Da ich noch nicht 18 war, musste mein Vater einen Einzeiler per Telex schicken, dass er einverstanden ist. Ich musste aber versprechen, dass ich die Lehrabschlussprüfung noch mache. Ich verstehe jeden, der mit 15 nicht weiß, welchen Beruf er erlernen will.

STANDARD: Wie ließen sich eine Lehrausbildung und ein Job als Kellner vereinbaren?

Schlacher: Ich habe nie Angst vor der Arbeit gehabt. Natürlich war das anstrengend, am Abend und am Wochenende zu kellnern und dann um sechs Uhr Früh aufzustehen und in die Lehrwerkstätte zu fahren. Ich kenne das Denken von meinem Vater, der Eisenbahner war und mit 45 von der Pension zu reden begann. Das habe ich nicht ausgehalten.

STANDARD: Sehen Sie solches Engagement heute auch bei Jüngeren?

Schlacher: Man kann nicht alle in einen Topf werfen, aber der große Trend bei den Jüngeren ist eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Wir wollten Gas geben. Heute stehen Ernährung, Sport, ein gutes Radl, ein gutes Leben im Mittelpunkt. Das ist halt die Erbengeneration. Die suchen keinen 40-Stunden-Job, was auch okay ist.

STANDARD: Okay für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Schlacher: Ich frage mich halt, wie wir uns international behaupten werden, beispielsweise im Wettbewerb mit China. Auch in Amerika ist das Denken anders.

STANDARD: Sie haben letztes Jahr auch ein Kochbuch herausgebracht. Wie halten Sie es privat mit dem Kochen?

Schlacher: Ich habe nie Kochen gelernt, koche aber gerne zu Hause für meinen Mann und meine zwei Kinder. Da rufe ich manchmal meinen Chefkoch an, um zu fragen, wie man dies oder jenes zubereitet. Meine Stärke ist: Ich weiß, was der Gast will.

STANDARD: Schweinsbraten mit Knödel haben Sie drauf?

Schlacher: Schweinsbraten geht, bei Knödel wird's dann schon schwierig. (Andreas Schnauder, 8.4.2018)