Die Kunst der Radiästhesie: Erdstrahlungen, Elektrosmog & Wasseradern aufspüren und harmonisieren, Taschenbuch 2014

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Die Engel-Aura-Essenz Erzengel Valeoel um knapp 26 Euro verspricht innere Ruhe.

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New Cage: Esoterik 2.0, wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt, Taschenbuch 2013

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Die Wünschelrute aus Messing mit Kupfergriff ist auf Amazon um 27,90 Euro zu haben, ohne kostet sie halb so viel. Literaturvorschläge werden gleich mitgeliefert: Die Kunst der Radiästhesie: Erdstrahlungen, Elektrosmog & Wasseradern aufspüren und harmonisieren schlägt der Algorithmus etwa vor – als Taschenbuch um wohlfeile 9,95 Euro. Der Verlag verspricht viel: "Mithilfe der neuen Methode der Energiereinigung können wir (...) energetisch, mental und körperlich gesunden."

Auch an Heiltherapien Interessierte werden fündig – bei Titeln wie Geistheilung ist erlernbar oder Der Healing Code: Die 6-Minuten-Heilmethode. In den Einkaufskorb legen könnte man dazu Engelsessenzen mit klingenden Namen wie "Erzengel Valeoel" zum Preis von knapp 26 Euro für ein 100-Milliliter-Fläschchen.

Mehr als 100.000 Ergebnisse spuckt alleine der deutsche Ableger von Amazon beim Schlagwort Esoterik aus. Was geboten wird, gibt es auch in spezialisierten Online-Shops oder altmodisch im stationären Handel. 60 der 34.000 Einzelhandelsbetriebe in Wien vertreiben Esoterikartikel. Engelsfiguren, Duftöle, Schmuck, Literatur, Steine, oft eine wilde Mischung aus Wellness, Lebensberatung, Lifestyle und religiös bis fanatisch anmutenden Heilsversprechen. Mit einschlägigen Büchern ist jede Buchhandlung gut bestückt.

Wovon Menschen träumen

Wer erforschen will, was in Sachen Esoterik angesagt ist, ist bei Amazon gut aufgehoben. Einblicke, wie viel mit esoterisch oder spirituell angehauchten Produkten erwirtschaftet wird, gibt es auf Anfrage zwar nicht, wohl aber lässt der Besuch der Seite Schlüsse zu: darauf, wovon Menschen träumen, was sie hoffen – und wie findige Anbieter Bedürfnisse wecken und befriedigen wollen.

Dass sich mit Esoterik reales Geld machen lässt, daran gibt es keinen Zweifel. Auf gut 20 Milliarden Euro schätzte etwa der deutsche Trendforscher Eike Wenzel das jährliche Umsatzvolumen in Deutschland – doppelt so groß wie jenes der Brauereiwirtschaft. Aber während einzelne dicke Fische mit Hokuspokus reich werden, müssen sich die meisten Anbieter mit Kleingeld zufriedengeben.

"Wir lachen uns bei solchen Zahlen tot", sagt Antje Radspieler zu der 20-Milliarden-Schätzung. Sie arbeitet für die ESO-Team Messe- und Kongress GmbH, den Veranstalter der "Spiritualität und Heilen"-Messe an diesem Wochenende in der Wiener Stadthalle. Dort würden Kleinstunternehmer ausstellen: Tarotkartenleger, Auraberater, Handleser – alles sehr familiär. 80 Aussteller kommen, rund 2000 Gäste werden erwartet.

Fette Gagen würden hier nicht erwirtschaftet, sagt sie. Die verortet Radspieler eher bei Anbietern wie der Berliner Questico. Das Unternehmen macht mit TV-Astrologieshows und Telefonberatungen freiberuflicher Hellseher gute Gewinne – und das auch auf Kosten abgezockter Konsumenten. Vor Jahren wurde ein Fall bekannt, wo eine Deutsche über Monate Beistand bei einer einschlägigen TV-Show suchte und dabei 38.000 Euro vertelefonierte.

Mit solchen Anbietern will Radspieler nicht in einen Topf geworfen werden. Was Besucher der Messe suchen, formuliert sie so: "Die Menschen sind mit materialistischen Gedankengängen zunehmend unzufrieden."

Selbstausbeutung

Das bestätigt der Tiroler Psychologe Johannes Fischler. "Das Schräge ist: Die Leute wollen mit Esoterik aus dem Kapitalismus ausbrechen und beuten – angekommen im Psycho-Kapitalismus – sich selbst aus", sagt er. In seinem Buch New Cage: Esoterik 2.0, wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt erkundet Fischler Engelswelten, Energiesprays und Lichtkörper. Die Umsatzschätzung von 20 Milliarden Euro erscheint ihm keineswegs zu hoch gegriffen.

Der Grat zwischen harmlosem Schnickschnack und grobem Unfug ist oft schmal. Fischlers Urteil über die gesamte Branche ist dennoch hart: Sie nutze die Not vieler Menschen schamlos aus. Im Blick hat er dabei nicht die Wünschelrutengänger, die er für harmlos hält, sondern "selbsternannte Energieheiler oder vermeintliche Quantenmediziner".

Daneben gebe es aber noch ganz andere Kaliber, die Leute "gezielt süchtig machen". Auf Internetplattformen werden Kurse für Lichtschulen aller Art geboten, mit Meditations-CDs und Zertifikaten bis zum Meistergrad – via Abonnement. Der Weg zur Erleuchtung ist dabei mit monatlich 150 bis 200 Euro nicht ganz billig. Dafür bildet man bald selbst Zöglinge aus. Für Fischler ist das ein typisches Pyramidenspiel. Was ihn aber besonders ärgert: "Energetische Reinigungssprays kann ich mittlerweile in vielen Apotheken kaufen." (Regina Bruckner, 7.4.2018)