Das Sterben in Würde ermöglichen und gleichzeitig die gesetzlichen Rahmenbedingungen erfüllen – in diesem Spannungsfeld bewegt sich die Diskussion um Sterbehilfe in Österreich.

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Wien – Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordverdachts gegen eine 52-jährige Wienerin, die ihrem Mann die Schläuche aus dem Beatmungsgerät gezogen haben soll. Er lag im Sterben, hatte sich nach einer Nierentransplantation nicht mehr erholt. In der Steiermark erstickte ein Mann vor wenigen Wochen seine Frau, um sie von ihren Schmerzen zu "erlösen", wie er angab. Beide Fälle sorgen für Diskussionen. Aktive Hilfe zum Sterben ist in Österreich illegal. Ein Überblick über die Gesetzeslage und Reformvorstöße.

Frage: Warum ist Sterbehilfe in Österreich nicht legal?

Antwort: Immer wieder wird die Forderung erhoben, hier Möglichkeiten zu schaffen. Im Gegensatz zu anderen Ländern (siehe unten) wurde das bisher aber nicht umgesetzt. Vor drei Jahren gab die Bioethikkommission Empfehlungen ab. Der Großteil der Mitglieder plädierte dafür, Paragraf 78 im Strafgesetzbuch (StGB) zu reformieren, der die Mitwirkung am Selbstmord verbietet. Geschehen ist das bis dato aber nicht.

Frage: Welche Formen von Sterbehilfe gibt es?

Antwort: Bei einem assistierten Suizid wird ein tödliches Medikament bereitgestellt, aber nicht selbst verabreicht. Unter der aktiven Sterbehilfe versteht man das gezielte Herbeiführen des Todes auf Wunsch der Person. Indirekte Sterbehilfe ist der beschleunigte Tod als Nebenwirkung eines schmerzlindernden Medikaments. Bei der passiven Sterbehilfe werden lebensverlängernde Maßnahmen unterlassen.

Frage: Wie hoch ist das Strafmaß?

Antwort: Im Fall der Wienerin wird wegen Mordverdachts ermittelt. Gelingt es der 52-jährigen Frau zu beweisen, dass ihr Partner nicht am Leben erhalten werden wollte, könnte ein anderer Paragraf schlagend werden. Tötung auf Verlangen ist laut Paragraf 77 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren belegt. Rechtsanwältin Astrid Wagner stellt im STANDARD-Gespräch eine Auflockerung in den Raum. Sie vermutet, dass Sterbehilfe "immer mehr zum Thema" wird. Nachdem auch die lebenserhaltenden medizinischen Möglichkeiten mehr werden, "wird sich was bewegen".

Frage: Im Parlament gab es 2015 eine Enquetekommission unter dem Titel "Würde am Ende des Lebens". Was waren die Ergebnisse?

Antwort: Die ÖVP hatte die verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots von Sterbehilfe gefordert. Darauf haben sich die Parlamentsparteien aber nicht geeinigt, genauso wenig wie auf die schon beschriebene Reformierung des Paragrafen 78. Übrig blieb die Einigung auf den flächendeckenden Ausbau der Hospiz- und Palliativbetreuung in Österreich.

Frage: Gab es auf anderer Ebene Bemühungen, Sterbehilfe in Österreich einzuführen?

Antwort: Aktivisten setzen sich seit Jahren für eine liberale Regelung der Sterbehilfe ein. Mit dem Verein "Letzte Hilfe" wollten Eytan Reif und der mittlerweile verstorbene Physiker Heinz Oberhummer für eine "ethisch vertretbare Sterbehilfe-Gesetzgebung" kämpfen sowie mündigen Mitgliedern in Härtefällen auf ihren "expliziten Wunsch" hin behilflich sein, "ein Sterben in Würde zu ermöglichen". Reif wünscht sich eine Änderung des Gesetzes nach dem Vorbild des "Oregon Modells", das unter strengen Vorlagen einen ärztlich-assistierten Suizid ermöglicht. Davon sei Österreich aber noch weit entfernt, sagt Reif zum STANDARD: "Die katholische Kirche versucht zu blockieren, was im Rest der Welt längst umgesetzt wird."

Frage: Gibt es trotzdem Möglichkeiten, für den Ernstfall vorzusorgen?

Antwort: Eine Patientenverfügung bietet die Möglichkeit, im Vorhinein festzulegen, ob und welche medizinischen Behandlungen man in Anspruch nehmen möchte. Im Falle des Verlustes der eigenen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit – zum Beispiel, wenn man in künstlichen Tiefschlaf versetzt wurde – kann die Verfügung herangezogen werden. Jedoch ist lediglich eine "verbindliche Verfügung", die unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa der Errichtung bei einem Rechtsanwalt oder einem Notar, für den Arzt bindend sei. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) kündigte kürzlich an, den Zugang zu Patientenverfügungen erleichtern zu wollen. Die Laufzeit soll von fünf auf acht Jahre ausgedehnt und eine automatische Verlängerung ermöglicht werden. Die Verfügungen sollen in der Elektronischen Gesundheitsakte gespeichert werden.

Frage: Ist es möglich, dass jemand anderer für mich entscheidet?

Antwort: Ja. Mit einer Vorsorgevollmacht kann man jemanden beauftragen, in seinem Namen zu handeln und Entscheidungen zu treffen, wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist.

Frage: Wie ist das eigentlich in anderen europäischen Ländern?

Antwort: Sehr unterschiedlich. Jede Art der Sterbehilfe ist in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg erlaubt. Auf der anderen Seite ist Polen das einzige Land, in dem jede Form der Sterbehilfe explizit verboten ist. In Deutschland steht aktive Sterbehilfe unter Strafe, alle anderen Möglichkeiten sind unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Ähnlich ist die Situation in der Schweiz. Dort hat sich aufgrund etablierter Sterbehilfeorganisationen ein sogenannter "Sterbehilfe-Tourismus" entwickelt. Der Großteil jener Ausländer, die sich in der Schweiz das Leben nehmen, stammt aus Deutschland und Großbritannien. (ksh, rwh, van, 9.4.2018)