Es war ein beispielloser Wahltag in Budapest. Bis fast elf Uhr in der Nacht stellten sich noch vor zwei Wahllokalen tausende junge Menschen stundenlang an, um ihre Stimme abzugeben. In London warteten vor der ungarischen Botschaft in strömendem Regen hunderte Ungarn geduldig, um abzustimmen. Die wenigen unabhängigen Zeitungen und alle Oppositionspolitiker erwarteten vom erhofften Stimmungswandel, dass die seit 2010 regierende Fidesz-Partei zumindest eine Schlappe erleiden würde.

Dass Viktor Orbán vor seinem 55. Geburtstag (am 31. Mai) die Wahltriumphe von 2010 und 2014 wiederholen und eine neuerliche Zweidrittelmehrheit erreichen würde, hatte kaum jemand erwartet. Das Charisma muss sich durch Erfolge bewähren. Orbán ist es gelungen, mit einem unheimlichen politischen Fingerspitzengefühl, mit eisernem Willen und einer skrupellosen Hetze seines Mediumimperiums die Wahl zu einem schicksalshaften Kampf der ungarischen Nation gegen eine finstere Weltverschwörung – gelenkt durch den dämonisierten, aus Ungarn stammenden US-amerikanischen Milliardär und Philantropen George Soros – zu stilisieren.

Nach einer massiven und von Orbán persönlich gelenkten, enorm kostspieligen Medienkampagne hat eine klare Mehrheit der Wähler in der Provinz, aber auch jener unter den Älteren und Ärmeren in urbanen Zentren tatsächlich geglaubt, dass die "Soros-Söldner" in Brüssel und Ungarn das "Abendland" mit Millionen von muslimischen Migranten überschwemmen wollen.

Umberto Eco hat über die Geschichte gesagt, sie sei das Reich der Fälschung, der Lüge und der Dummheit. Das gilt auch für die Politik. In Ungarn wird so wie in anderen europäischen Ländern und auch in Trumps Amerika mit der Angst vor Terrorismus, vor dem Fremden, vor der Zukunft politisches Kleingeld gewechselt. Viktor Orbán, der bereits 1998 Europas damals jüngster Ministerpräsident wurde, dürfte als der erfolgreichste Machtpolitiker und als Symbol der nationalen Selbstüberhebung in die ungarische Geschichte eingehen. Die linke und liberale Opposition ist zertrümmert, die extrem rechte Jobbik, nun mit einer pseudobürgerlichen Maske, stagniert auf hohem Niveau und schlittert in eine Führungskrise nach dem enttäuschenden Wahlergebnis.

Dass es keine faire Wahl war, zeigten zahlreiche Scheinlisten, berichteter Missbrauch mit Wahlzetteln und gekaufte Stimmen. All das ändert aber nichts daran, dass viele Oppositionspolitiker einander mehr gehasst haben als den gefürchteten Alleinherrscher. Sie erwiesen sich wieder unfähig, ein Wahlbündnis zu schmieden und über Korruptionsvorwürfen hinaus eine glaubwürdige Alternative zu bieten. "Ein Großteil der Menschen ist zufrieden mit dem Status quo. Sie bekommen das, was sie verdienen", sagte kürzlich der Pianist Sir András Schiff, der seit 2011 wegen rassistischer Beschimpfungen nicht mehr in Ungarn auftritt.

Viktor Orbáns Wahlsieg und sein demonstrativer Schulterschluss am Vorabend der Wahl in Budapest mit dem starken Mann Polens, mit Jarosław Kaczyński, sind ein symbolträchtiges Zeichen dafür, dass der Wind in Mittelosteuropa von rechts weht. (Paul Lendvai, 9.4.2018)