Die Frau sei ein Irrläufer, inhaltlich gesehen, heißt es in der ÖVP. Und nein, man habe die Sozialministerin nicht unter Kontrolle, genauso wenig wie ihre eigene Partei, die FPÖ. Die seit Tagen tobende Debatte rund um die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, kurz AUVA genannt, sei völlig unnötig und in dieser Form keinesfalls konstruktiv.
Der breite Protest samt Petition mit zehntausenden Unterstützern gegen einen möglichen Umbau der AUVA erwischt die Regierung auf dem falschen Fuß, darauf war man nicht vorbereitet. Denn Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat der Koalition mit ihren Ankündigungen einen Konflikt eingebrockt, der gar nicht auf dem Programm gestanden war.

Weil das blaue Neoregierungsmitglied der AUVA 500 Millionen Euro, wie im Regierungspakt vorgesehen, an Einsparungen abverlangt, ihr gleichzeitig aber schon die Auflösung in Aussicht gestellt hat, wird Hartinger-Klein nicht nur von der Belegschaft, sondern auch von der Gewerkschaft bereits als "Ministerin für Krankheit und Asoziales" verhöhnt.
Ressort als Intrigantenstadl
Obwohl am Wochenende Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache höchstpersönlich via ORF-Pressestunde um Beruhigung ringen musste ("Wir wollen keine Spitäler zusperren!"), wischt man parteiintern Kritik an der unberechenbaren Steirerin vorerst vom Tisch. Noch.

Hartinger-Klein sei "eine hervorragende Ministerin", erklärt da ein FPÖ-Mann, und: "Sie hat nur das Problem, dass sie ein riesiges Ressort hat, in dem eine Reihe von roten Sektionschefs sitzen, die ihr ein Ei nach dem anderen legen." Dauernd werde sie von denen "bewusst missverstanden", wird beklagt – um immer wieder "Knatsch" mit der FPÖ-Ministerin zu provozieren.
Doch es ist nicht das erste Mal, dass die 58-jährige studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschafterin im Rahmen der sonst so streng akkordierten türkis-blauen Regierungsriege aus der Reihe tanzt. Schon wenige Wochen nach Amtsantritt ließ die Ministerin, die privat gern Trampolin springt, Anfang Jänner wissen, dass sie beim anstehenden Umkrempeln des Arbeitslosengeldes eine eigene Linie verfolgt.
PR-GAU statt Performance
Der Staat werde definitiv nicht auf das Vermögen von Menschen ohne Job zugreifen, bevor sie nach Entfall des Arbeitslosengeldes weitere Leistungen erhalten, versprach Hartinger-Klein damals – obwohl das der türkise Kanzler und sein blauer Vize sehr wohl andachten.
Hektische Telefonate sowie tagelanges Hin und Her zwischen den Regierungsspitzen waren die Folge. Fazit: Hartinger-Klein wurden zwei Aufpasser zur Seite gestellt – konkret die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) federführend mit der Reform des Arbeitslosengeldes betraut. Beim Regierungspartner ÖVP ist man über den zweiten PR-GAU, den Hartinger-Klein jetzt rund um die AUVA losgetreten hat, höchst irritiert – und auch verärgert.
Denn in einer regierungsinternen Unterlage ist von künftig "fünf" statt 21 Sozialversicherungsträgern die Schreibe, da hätte die AUVA noch Bestand. Fachlich sei Hartinger-Klein, einst im Management der steirischen Krankenanstaltengesellschaft, durchaus beschlagen, wird ihr in der ÖVP nachgesagt, aber: Ihr mangle es an professionellen Auftritten in der Öffentlichkeit sowie an strategischer Planung und Einschätzung. Deswegen bringe sie die falschen Themen zur falschen Gelegenheit aufs Tapet.

Das nährt wiederum Spekulationen, dass Hartinger-Klein mit der AUVA noch persönlich eine Rechnung offen habe. Schließlich habe sie sich einst um einen Generaldirektorenposten bei der AUVA beworben – und war mit ihrer Bewerbung abgeblitzt. Ihre Klage wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes zog sie erst zurück, als klar war, dass sie zur Ministerin aufsteigt.
Mehr Planung nach Pannen
Wegen alldem liegen koalitionsintern nun alle Hoffnungen auf dem aktuellen Pressestab von Hartinger-Klein. Vorerst soll auch ein neuer alter Pressesprecher, der bei Infrastrukturminister Hofer angesiedelt ist, Abhilfe schaffen: Heimo Lepuschitz, einst bei Jörg Haiders BZÖ unter Vertrag, koordiniert die Kommunikation der freiheitlichen Ministerriege nach außen – und ist für eine Abstimmung unter den blauen Regierungsmitgliedern zuständig.
Dazu soll es wenigstens eine mittelfristige Planung in der FPÖ-Riege geben. Denn das ist etwas, worauf Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) äußerst großen Wert legt. Im eigenen Team klappe das bereits hervorragend – und bis auf den mittlerweile berüchtigten Ausnahmefall Hartinger-Klein auch mit dem Koalitionspartner. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 11.4.2018)