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Der beim Anschlag deutlich lädierte Mannschaftsbus des BVB zeugte vom großen Glück, das die Mehrzahl der Spieler hatte.

Foto: AP/Martin Meissner

Dortmund – Platzt irgendwo ein Luftballon, rollt unerwartet ein Bus heran, geht es wieder einmal zum Stadion – dann sind die Bilder wieder da. Die Bilder vom 11. April 2017, als neben dem zum Europacupheimspiel gegen den AS Monaco fahrenden Mannschaftsbus von Borussia Dortmund drei Sprengsätze gezündet wurden. Kapitän Marcel Schmelzer sagt, dass er heute noch bei lauten Geräuschen zusammenzucke. "Ich habe die Angst in den Gesichtern gesehen. Ich versuche, es wegzuschieben. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen man daran denkt, was für ein Glück wir hatten."

Der spanische Verteidiger Marc Bartra, inzwischen zu Betis Sevilla gewechselt, erlitt damals einen Armbruch und Fremdkörpereinsprengungen, ein begleitender Polizist ein Knalltrauma. Das waren nur die unmittelbaren körperlichen Folgen eines Abends, der alle Spieler und den gesamten Verein tief erschüttert hat. Die psychischen sind immer noch zu spüren. "Wir müssen das irgendwie verarbeiten", sagte Sportdirektor Michael Zorc am vergangenen Sonntag nach dem Heimsieg der Elf von Coach Peter Stöger gegen Stuttgart (3:0). "Durch die Gerichtstermine kam natürlich einiges wieder hoch."

Am 8. Jänner hatte Sergej W. vor dem Landgericht Dortmund gestanden, die Sprengsätze neben dem Mannschaftsbus gezündet zu haben. Tötungsabsicht habe er keine gehabt. Sein Motiv soll Habgier gewesen sein, mutmaßlich wollte er mit kreditfinanzierten Put-Optionen nach seiner Tat am sinkenden Kurs der Aktie des Vereins verdienen. Ein Beitrag im STANDARD-Forum half seinerzeit, W. auf die Spur zu kommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem versuchten Mord in 28 Fällen vor.

Mehrere Spieler berichteten im Zeugenstand von ernsten Schlafproblemen. Die Frage, inwiefern der Anschlag ein Jahr danach für sportliche Probleme verantwortlich zu machen ist, bleibt schwierig zu beantworten. Auffällig ist: Die Mannschaft fällt bei geringsten Rückschlägen wie ein misslungenes Soufflé in sich zusammen – gelingt aber ein glückliches Tor, kann sie plötzlich spielen wie Bayern München.

Den Verein geriet infolge des Attentats in sportliche Schieflage. An der Frage, ob es richtig war, die Mannschaft schon am Tag nach der Todesangst wieder in der Champions League gegen Monaco antreten zu lassen – sie verlor 2:3, -, entzündete sich ein Streit zwischen Trainer Thomas Tuchel und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der nicht im Bus gesessen hatte. Am Ende musste Tuchel den BVB verlassen.

Tuchel war selbst vor Gericht als Zeuge geladen. Im Gegensatz zum zu Arsenal gewechselten Gabuner Pierre-Emerick Aubameyang, der sich abgemeldet hatte, erschien er auch. Er leide an keinen körperlichen oder psychologischen Spätfolgen, sagte der Schwabe, allerdings sei seiner Ansicht nach der Anschlag ein Grund für seine Entlassung gewesen. "Davon würde ich ausgehen", sagte er auf die Frage, ob er ohne das Trauma vom 11. April über den Sommer Trainer geblieben wäre.

Just am Tag vor dem Jahrestag behauptete L'Equipe, dass der 44-Jährige ein neues Engagement hat – für zumindest zwei Jahre bei Paris Saint-Germain. (sid, lü, 10.4.2018)