Boao – Alexander Van der Bellen ist erleichtert. Die von ihm beim Staatsbesuch in China angeführte Delegation ist merklich geschrumpft, als er auf der Insel Hainan als Redner nach Staatschef Xi Jinping die Bühne einer Wirtschaftskonferenz betritt. Erleichtert um einige Minister, die am Dienstag die Rückkehr nach Wien angetreten haben, u.a. Norbert Hofer. Der Verkehrsminister von der FPÖ und harte Gegner Van der Bellens im Präsidentschaftswahlkampf, in dem Hofer den Mitbewerber mal der Spionage, mal der Nähe zum Kommunismus bezichtigt hat, zeigt in China keinerlei Anzeichen von Rivalität.

Im Gegenteil: Hofer ist voll der Huldigungen für Van der Bellen, der als "Türöffner für die österreichische Wirtschaft" agiere und dabei auch die Frage der Menschenrechte in China nicht unter den Teppich kehre. Auch der von den Blauen in der Vergangenheit nicht gerade mit Samthandschuhen angefasste Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl – Stichwort: Zwangsmitgliedschaft – wird von Hofer mehrfach ausgezeichnet, für "Fitness und Durchhaltevermögen" gepriesen. Als würden die rot-weiß-roten Fähnchen auf den Luxuslimousinen in Peking und Hainan parteipolitische Gräben vergessen machen.

Über grünen Klee gelobt

Das sieht man auch Sebastian Kurz an, der den exgrünen Präsidenten über den grünen Klee lobt. Der türkise Kanzler tritt beim Staatsbesuch protokollgemäß in die zweite Reihe, beispielsweise als der Zivilist Van der Bellen im Beisein Xis die Militärparade abnimmt. Ob aus Überzeugung oder der Staatsräson geschuldet: Beim größten Staatsbesuch in der Geschichte des Landes passt kein Blatt Papier zwischen die österreichischen Repräsentanten verschiedener Couleurs.

Zu seinen Auftritten kommt Kurz trotzdem, insbesondere in der Öffentlichkeit. Vor der Unterzeichnung chinesisch-österreichischer Kooperationsverträge wird er von lokalen Journalisten umzingelt, schüttelt geduldig Hände und fragt höflich nach den Namen der Medien, die die Reporter vertreten. Beim TV-Sender Phoenix, einer Art chinesischer BBC mit 500 Millionen Sehern, wird er ausführlich interviewt. Kritischen Fragen entgeht er, wie der Kanzler selbst amüsiert bemerkt. Da ist er in Österreich anderes gewohnt.

Sebastian Kurz sitzt beim Interview mit Phoenix von Kameras und Scheinwerfern umringt. Kritische Fragen hatten keinen Raum.
Foto: BKA / Dragan Tatic

Bei vielen politischen und wirtschaftlichen Terminen harmonieren Staats- und Regierungschef im Sinne guter Nachrede und Geschäfte, was dem chinesischen Parlamentspräsidenten die Bemerkung entlockt, die beiden ergäben für Österreich eine "goldene Verbindung".

Nichts dem Zufall überlassen

Die heimische Charmeoffensive ist voll durchgetaktet, nichts wird dem Zufall überlassen. Das beginnt schon mit dem Gastgeschenk: Skier für Xi, der zwar kein Skifahrer ist, vom Engagement des Herstellers Fischer in China aber sichtlich angetan ist. Zu den Wintersportambitionen der Großmacht passt das Präsent allemal, werden doch die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking und Umgebung ausgetragen. Xis Frau Peng Liyuan, die vor zehn Jahren noch selbst an der Staatsoper aufgetreten ist, wird mit einer Musikedition der Wiener Philharmoniker bedacht. Musikalische Einlagen kommen beim allmächtigen Staatspräsidenten generell gut an, der Auftritt der siebenjährigen Salzburgerin Cäcilia Anna Plöß rührt die Hälfte der Teilnehmer beim offiziellen Staatsbankett im Goldenen Saal der Großen Halle des Volkes zu Tränen, wie Van der Bellen sichtlich bewegt ausführt.

Die siebenjährige Geigerin aus Salzburg Cäcilia Anna Plöß (li.) rührte mit Mozart die Präsidenten Xi (Mi.) und Van Der Bellen (re.).
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Das Mädchen spielt auf einer Originalgeige von Mozart Sonaten des Komponisten und hängt ein chinesisches Volkslied an. Xi lässt im Gegenzug die Militärmusik den Radetzkymarsch blasen. Später, anlässlich des Besuchs von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck beim Internet- und Handygiganten Huawei, geben Musikerinnen auf traditionellen chinesischen Instrumenten den Donauwalzer zum Besten.

Gute Stimmung

Alles eitel Wonne in China, die Österreicher sorgen für gute Stimmung und scheinbar gute Luft. Seit der Ankunft ist es für Pekinger Verhältnisse selten sonnig und klar, der Smog zieht punktgenau zum Abflug nach Hainan wieder herein. Selbst Verkehrslärm und Staus erleben die Repräsentanten nur aus der Ferne, werden doch alle benutzten Straßen der Hauptstadt großräumig gesperrt. Die Blechlawine weicht dem von Polizisten auf Motorrädern eskortierten Konvoi mit den Staatskarossen namens Rote Fahne des nationalen Herstellers Hongqi, der die Autos im Namen der Regierung wieder bauen darf. Es passt zum neuen Selbstverständnis Chinas, dass Rolls-Royce gegen Eigenbau ausgetauscht werden.

Im Südchinesischen Meer angekommen, wird die Delegation wieder bei 27 Grad von der Sonne angelacht. Erneut große Bühne in Boao, wo Van der Bellen gleich nach Xi und vor dem philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte sprechen darf. Kurz trifft derweil IWF-Chefin Christine Lagarde, Alibaba-Chef Jack Ma und andere wichtige Wirtschaftsleute und Politiker. Der Auftritt in China soll damit zum "Turbo für die österreichische Wirtschaft" (Kurz) werden. (Andreas Schnauder aus Boao, 11.4.2018)