Nicht jeder Verlockung, scheint es, sollte man sofort erliegen. Wäre Max Hollein dem wiederholt ergangenen Ruf seiner Heimat gefolgt und hätte die Leitung des Kunsthistorischen Museums in Wien angetreten, wäre seine Karriere anders verlaufen. Der 48-Jährige könnte sich als Kunstkaiser der Provinz auf staatlich gut subventionierten Lorbeeren ausruhen oder, auf gut Österreichisch, eine vergleichsweise ruhige Kugel schieben. Aber Hollein stemmt wie Sisyphos lieber Felsbrocken. Bislang ging es nur bergauf: 2006 bis 2016 als Direktor der Frankfurter Schirn und des Städel-Museums, dann als Leiter des Fine Arts Museum in San Francisco.

Jetzt ist der Sohn der 2014 verstorbenen Architekten-Ikone Hans Hollein im größten Museum der USA angekommen: Im Sommer tritt er den Chefposten im New Yorker Metropolitan Museum of Arts an. Eine Überraschung und – wenn man so will – Sensation.

Hollein übernimmt einen der wichtigsten Kunsttanker der Welt mitten in dessen größter Krise. Das Metropolitan war ab 2015 in einen Finanzskandal geschlittert, wie man ihn hierzulande nur mit dem Burgtheater vergleichen könnte. Nach Verlusten in Millionenhöhe musste der Direktor Thomas Campbell im Februar 2017 seinen Posten räumen. Das Haus verordnete sich einen strikten Sparkurs, erhöhte Eintrittsgelder, entließ Angestellte und sagte eine geplante 600-Millionen-Dollar-Erweiterung ab.

Für die Wahl eines neuen Direktors ließ man sich mehr als ein Jahr Zeit. Und das aus gutem Grund: Denn das Haus galt als zerstritten, Strukturen als zu eingefahren, um – wie in den letzten sechzig Jahren üblich – einen der langgedienten Kuratoren zum Chef zu machen. Man suchte jemanden von außen, der die Situation unbefangen überblicken und neu ordnen kann.

Hollein studierte in Wien neben Kunstgeschichte auch Betriebswirtschaft. Als Kulturmanager erwarb er sich den Ruf des geschickten Umgangs mit Sponsoren. Das Metropolitan wird sich in seiner finanziell angespannten Situation dieser Qualitäten besinnen. Außerdem holt man sich mit dem Wiener jemanden nach New York, der zuletzt an der Westküste die Nähe des Silicon Valley gesucht hat. Von Hollein erwartet man sich eine Entstaubung der 1870 gegründeten Institution, eine Verknüpfung von Kunst und Innovation, wie man sie bisher nicht kannte. Davon hat Hollein bislang mehr gesprochen als umgesetzt. Am schwierigen New Yorker Boden wird er nun rasch liefern müssen. Die vielen Konkurrenten im Nacken machen die Sache nicht leichter.

Von einer Alleinverantwortung, wie sie noch Holleins gescheiterter Vorgänger hatte, rückt die Institution allerdings ab. Mit Daniel H. Weiss wird neben Hollein, der für Künstlerisches zuständig sein wird, ein gleichgestellter Kaufmann installiert, der die Finanzen im Blick haben soll. Max Hollein kann bei dieser systemischen Machtbeschränkung nur profitieren. Und dafür sorgen, dass Sisyphos' Felsbrocken auch weiterhin nur nach oben rollt. (Stefan Weiss, 11.4.2018)