Paul Ryan, einer der prominentesten Republikaner, will bei den Midterm-Wahlen im Herbst nicht mehr antreten.

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Es gab eine Zeit, da war Paul Ryan der charismatische Hoffnungsträger der amerikanischen Konservativen. Da wurde er heiß gehandelt als Präsidentschaftskandidat des Jahres 2020, zumindest für den Fall, dass sich Donald Trump im Oval Office blamieren und die Republikanische Partei nach personellen Alternativen Ausschau halten würde. Umso überraschender kommt nun die Nachricht über seinen bevorstehenden Rücktritt.

Auch wenn er zuletzt nur noch selten im Rampenlicht stand, vom medial omnipräsenten Präsidenten wie viele andere auch an den Rand gedrängt, Rückzugsgedanken hatte Ryan in der Öffentlichkeit nicht einmal angedeutet. Am Mittwoch aber ließ der Vorsitzende des Repräsentantenhauses seine Parteifreunde im Parlament wissen, dass er beim Kongressvotum im November nicht mehr antreten wird.

Er brauche mehr Zeit für seine Familie, begründete er seine Entscheidung. Ryans Frau und die drei gemeinsamen Kinder, 16, 15 und 13, leben nach wie vor in Janesville, einer Kleinstadt in Wisconsin. Er wolle nicht, dass die Kids ihren Vater im Teenageralter über weite Strecken nur aus der Ferne erleben, sagte er bei einem emotionalen Auftritt vor seinen Kollegen und Journalisten.

Viele Republikaner werfen das Handtuch

Der Speaker ist nicht der erste Republikaner, der mit Blick auf die Midterm Elections das Handtuch wirft. Mehr als 40 Abgeordnete der "Grand Old Party" haben bereits klar gemacht, dass sie sich nicht zur Wiederwahl stellen. Allerdings ist keiner dabei, der auch nur annähernd Ryans Bekanntheitsgrad erreicht. "Wenn du den seit Jahren härtesten Krieg kämpfst und dein General in Pension geht, dann ist das kein gutes Zeichen", skizziert Larry Sabato, Politikprofessor der University of Virginia, die Lage.

Bei den Demokraten schürt es die Hoffnung auf eine Wende, die sie nach achtjähriger Durststrecke wieder die Mehrheit im Kongress erobern lässt. Ob es tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten. Aber dass mit Ryan ein Schwergewicht die politische Bühne verlässt, scheint die Opposition in ihrem Optimismus zu bestärken. Zumal manche der Abtretenden kein Hehl aus ihrem wahren Motiv machen: Ein negativer Trump-Effekt, fürchten sie, könnte sie mit in den Strudel reißen.

Sollte eine Mehrheit der Amerikaner dem Präsidenten einen Denkzettel verpassen und sie quasi stellvertretend bestrafen, wäre es so oder so das vorläufige Ende ihrer Karriere. Dann lieber einstweilen die Segel streichen, um sie später, bei günstigerem Wind, vielleicht wieder zu hissen.

Kandidierte 2012 als Vizepräsident

Auch bei Ryan könnte opportunistisches Kalkül eine Rolle gespielt haben. Er ist 48 Jahre alt, jung genug, um 2020 oder auch erst 2024 mit neuem Elan an den Start zu gehen. An Trump hat er sich lange gerieben, für jedermann sichtbar in einer Phase, als der Immobilienmogul das republikanische Bewerberrennen so gut wie gewonnen hatte und der Speaker dennoch zögerte, ihn zu unterstützen.

2012 war er als Anwärter auf die Vizepräsidentschaft an der Seite Mitt Romneys ins Rennen gegangen, eines Mannes, der später aufgebracht von der Mogelpackung mit dem Etikett Donald Trump sprach. Wie Romney, wie andere Republikaner alter Schule hält Ryan nichts von Zollbarrieren. Dass man dies im Weißen Haus anders sieht, seit weltoffenere Berater den Machtkampf gegen Nationalisten verloren, dürfte mit beigetragen haben zu seinem Entschluss.

Zudem hat der Mann aus Wisconsin erreicht, wofür er warb, seit er 1998 erstmals in den Kongress gewählt wurde: massive Steuersenkungen für Unternehmen. Beschlossen wurden sie mit der Steuerreform des vergangenen Dezembers. "Mission Accomplished", könnte man sagen. (Frank Hermann aus Washington, 11.4.2018)