Ist es patschert, jetzt noch in den hochbewerteten US-Aktienmarkt einzusteigen? Ja, meint Finanzexperte Wolfgang Habermayer. Seiner Ansicht nach ist die Luft bereits draußen.

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Wien – Politische Börsen haben kurze Beine, lautet ein geflügelter Spruch unter Investoren. Soll heißen, à la longue gibt nicht die Politik den Aktienmärkten die Richtung vor, sondern die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Genau wegen dieses Zusammenhangs könnten sich die politischen Scharmützel um Handelsbarrieren zwischen den USA und China allerdings doch zu einem "game changer" ausweiten, wie es Wolfgang Habermayer, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Merito Financial Solutions, bezeichnet. Denn aus seiner Sicht lautet die Rechnung: Mehr Handelsbarrieren führen zu weniger Wachstum der Wirtschaft und damit auch der Firmengewinne.

Zudem kommt der von US-Präsident Donald Trump losgetretene Nervenkrieg um Handelsbeschränkungen für Habermayer ohnedies zur Unzeit, da sich schon zuvor die Warnsignale gemehrt hatten, dass der aktuelle US-Konjunkturzyklus seinem Zenit schon sehr nahe ist. Nach gut neun Jahren tendenziell steigender Kurse droht damit auch der Wall Street die Luft auszugehen – auch für den laut Habermayer unwahrscheinlichen Fall, dass Trump hinsichtlich Strafzöllen doch noch einen Rückzieher machen sollte. "Das würde die Entwicklung nur um wenige Monate verzögern", sagt der frühere Banker.

Angesichts des handelspolitischen Säbelrasselns geht Habermayer von einer Schwäche des Dollars gegenüber dem Euro aus, da der Außenwert der Währungen von Ländern, die Handelsschranken aufziehen, in der Regel sinke. An die erwarteten zwei bis drei weiteren Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed im Jahresverlauf – eine hat diese unter ihrem neuen Chef Jerome Powell heuer bereits durchgeführt – glaubt Habermayer ohnedies nicht. "Ich würde mich nicht wundern, wenn heuer nur noch ein Zinsschritt kommt", ergänzt er.

Zinskurve bedrohlich flach

Aufmerksam sollten Investoren auch die US-Zinskurve im Auge behalten, gemessen an dem Zinsunterschied zwischen zweijährigen und zehnjährigen Staatspapieren. Derzeit beträgt diese Differenz rund einen halben Prozentpunkt, Tendenz fallend. Setzt sich diese Entwicklung bis ins Negative fort, kommt es zu einer sogenannten Invertierung der Zinskurve – was als sehr zuverlässiger Indikator einer bevorstehenden Rezession gilt: Den vergangenen fünf Phasen mit negativem US-Wirtschaftswachstum war stets eine invertierte Zinskurve vorausgegangen.

Daher ist es Habermayer zufolge, der zuletzt die Aktienquote auf ein Drittel des Sollstands reduziert hat, an der Zeit, die Kastanien teilweise aus dem Feuer zu holen. Also die Aktienbestände "punktuell zu realisieren" und insbesondere riskante Positionen zurückfahren. Zu diesen zählt er besonders die Technologieriesen der ersten Reihe wie Google oder Amazon, da deren Aktien besonders hoch bewertet seien. Zudem drohe seit dem Facebook-Datenskandal noch Ungemach aus anderer Ecke. An eine Zerschlagung des sozialen Netzwerks glaubt er zwar nicht, sehr wohl aber an eine strenge Regulierung der Branche, um künftigen Datenmissbrauch zu unterbinden. Habermayers Fazit über die Technologieriesen: Den bisherigen Zugpferden des US-Aktienmarkts droht besonders starker Gegenwind.

Am Rande des Flusses

Auch am Rentenmarkt sieht der Finanzexperte derzeit kaum lukrative Anlagemöglichkeiten. Sichere Staatsanleihen werfen beiderseits des Atlantiks kaum bzw. wenig Verzinsung ab. Höher rentierenden, aber riskanteren Firmenanleihen kann er angesichts der von ihm erwarteten Konjunkturverlangsamung auch nur wenig abgewinnen.

Für Anleger sieht Habermayer daher folgendes Dilemma: An der Anleihenseite gebe es nichts zu verdienen, und auch von Aktien sei nun nicht mehr viel zu erwarten. Der Ausweg: "Abwarten wie die Sache weitergeht" und inzwischen das Geld auf einem zwar ebenfalls kaum verzinsten, aber dafür vor Kursverlusten gefeiten Sparbuch zu parken. "Manchmal muss man auch am Rande des Flusses sitzen", bringt es Habermayer auf den Punkt. Sollte es zu einer plötzlichen, sehr starken Korrektur kommen, könne man diese Liquidität dann zum günstigen Wiedereinstieg nutzen. (Alexander Hahn, 14.4.2018)