Das Treffen zwischen Merkel und Vučić soll "für die Zukunft Serbiens von herausragender Bedeutung sein", sagt Kosovos Staatschef.

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Berlin/Belgrad/Prishtina – Noch einmal trifft Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von rund sechs Wochen treffen die zwei Staatschefs am Freitag zusammen. Diesmal soll ihr Austausch "für die Zukunft Serbiens von herausragender Bedeutung sein", zitiert die Belgrader Zeitung "Blic" den alles beherrschenden Politiker in diesem Balkan-Land.

Zentrales Thema ist der Dauerkonflikt zwischen Serbien und seiner vor zehn Jahren unabhängig gewordenen ehemaligen Provinz Kosovo. Zwar ist der fast nur noch von Albanern bewohnte jüngste europäische Staat inzwischen von mehr als 110 Ländern völkerrechtlich anerkannt. Doch Belgrad verlangt mit Verweis auf seine mittelalterlichen Klöster und Schlachtfelder sowie auf seine vor allem im Nordkosovo lebende Minderheit die Wiedereingliederung des Kosovo in sein Staatsgebiet.

Die verweigerte Anerkennung des Kosovo durch fünf der 28 EU-Mitglieder (Spanien, Griechenland, Rumänien, Slowakei, Zypern) bedroht auch den für Mitte Mai in Sofia geplanten Westbalkan-Gipfel der Union. Dabei soll die Aussicht der sechs Balkanländer auf eine europäische Zukunft bekräftigt werden.

Mögliche Lösungen im Kosovo-Konflikt

Wie könnte also eine Kosovo-Lösung aussehen, die Brüssel seit vielen Jahren zwischen den zerstrittenen Seiten weitgehend ohne Erfolg vermittelt?

  • Große Teile der serbischen Öffentlichkeit wollen den Konflikt einfrieren, um auf bessere Zeiten zu warten. Das kommt für die USA, die EU und auch für Vučić nicht infrage.
  • Serbiens Außenminister Ivica Dačić hat am Vortag noch einmal die Teilung des Kosovo angeregt, die auch schon von dem inzwischen gestorbenen Nationaldichter Dobrica Ćosić vor vielen Jahren vorgeschlagen worden war. Vučić kann sich auch dafür nicht erwärmen.
  • Als Königsweg dürfte die schon 2007 von Wolfgang Ischinger vorgeschlagene Lösung nach dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag von 1972 ins Spiel kommen. Der einstige Spitzendiplomat und heutige Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz regte nach diesem Vorbild die Mitgliedschaft des Kosovo in der UNO an, die heute von Serbiens Verbündeten China und Russland blockiert wird. Beide Länder könnten ihre Rechtspositionen behalten, ohne dass wie damals die Anerkennung der DDR (Kosovo) durch die BRD (Serbien) notwendig wäre.
  • Die beiden Nachbarn könnten wie die zwei deutschen Staaten einst diplomatische Vertretungen austauschen, die nicht Botschaften genannt werden müssten. Sie könnten ihren Handel intensivieren und Verträge abschließen.
  • Das wäre dann das von Deutschland und anderen großen EU-Mitgliedern verlangte "rechtlich verbindliche Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen" als Voraussetzung für die weitere Annäherung des EU-Kandidaten Serbien an Brüssel.

Serbien will sich für einen solchen Kompromiss belohnen lassen – darum geht es offensichtlich beim Berliner Treffen. "Ich hoffe auf Verständnis der serbischen Position, damit wir mehr für unser Volk bekommen, dafür kämpfe ich", sagt Vučić. Das könnte ein größerer Einfluss Belgrads bei seinen Landsleuten in Bosnien sein oder die schnellere Annäherung an die EU oder großzügige Investitionen.

In den vergangenen Wochen standen die Zeichen zwischen den verfeindeten Nachbarn dagegen wieder auf Sturm. Ein spektakulärer Mord und die Verhaftung eines Spitzenpolitikers sowie Säbelrasseln auf beiden Seiten gehören dazu. Dabei haben die EU mit ihrer größten und teuersten Auslandsmission Eulex und die Nato mit ihrer Schutztruppe KFOR schon viel Geld und Expertenwissen in die Krisenregion gesteckt – von den Finanz- und Wirtschaftshilfen ganz zu schweigen. (APA, 13.4.2018)