Auf Regisseur Milos Forman (Aufnahme 1985) wurde man in den 1960er-Jahren als Teil der Tschechoslowakischen Neuen Welle international aufmerksam.

Foto: APA/Georges Bendriheim

Wien – Über das Jahr 1968 heißt es häufig, dass damals eine Revolte scheiterte, dafür aber ein Marsch durch die Institutionen begann. Für den Filmemacher Milos Forman war Hollywood die entsprechende Institution. Am Samstag ist der Regisseur nach kurzer Krankheit im Alter von 86 Jahren in den USA verstorben. Das teilte seine Frau Martina der tschechischen Nachrichtenagentur CTK mit.

Vor 1968 zählte er zu den wichtigsten Vertretern des künstlerischen Flügels des Prager Frühlings. Danch begann für Forman eine zweite Karriere in Amerika, mit Welterfolgen wie Einer flog über das Kuckucksnest (1975) und Amadeus (1984). Und seither können sich die Filmhistoriker nach Herzenslust darüber streiten, ob der Milos Forman von Der schwarze Peter (1964) mit dem Milos Forman von Larry Flynt – Die nackte Wahrheit (1996) noch etwas zu tun hatte. Es ist die Generalfrage zu dem Generationenexperiment von 1968, nur eben auf die Bedingungen hinter dem Eisernen Vorhang bezogen.

Eltern starben im KZ

Milos Forman wurde 1932 in Cáslav geboren, also im heutigen Tschechien, damals Tschechoslowakei. Die Eltern engagierten sich nach 1938 im nationalen Widerstand und verloren ihr Leben durch die Nazis: der Vater in Buchenwald, die Mutter in Auschwitz. Milos kam nach dem Krieg in eine Waisenhaus in Podebrady. Schon während des Kriegs war er durch seinen Bruder zum ersten Mal mit dem Theater in Berührung gekommen, und als er zu Beginn der 1960er Jahre in Prag nach künstlerischer Betätigung suchte, verfiel er auf die Idee, eine Dokumentation über das Theater Semafor zu machen.

Parallel entstand sein erster Film Konkurs, über ein Casting für junge Sängerinnen. Seine Filme aus den Jahren 1964 bis 1968 zählen zu den Höhepunkten der Tschechoslowakischen Neuen Welle: In Die Liebe einer Blondine (1966) oder Der Feuerwehrball (1968) zeigte Forman einen warmherzigen Blick auf soziale Verhältnisse im kleinbürgerlichen Kommunismus mit viel Sinn für Komik.

Als die Truppen des Warschauer Paktes 1968 in Prag einmarschierten, war Milos Forman bereits in Verhandlungen mit einem Hollywood-Studio. Er ließ sich daraufhin in New York nieder (wie auch sein Kollege Ivan Passer, mit dem er eine Weile das Quartier teilte). Sein erster amerikanischer Film Taking Off (1971) griff das Thema des Generationenkonflikts auf (eine Tochter reißt aus, die Eltern suchen nach ihr und rauchen Gras, um sie besser zu verstehen).

Einer flog über das Kuckucksnest

Den Durchbruch schaffte Forman 1975 mit der Verfilmung eines Romans von Ken Kesey: Einer flog über das Kuckucksnest, mit Jack Nicholson in einer Paraderolle. Der Aufstand einer Patientengruppe in einer psychiatrischen Anstalt war zutiefst von dem progressiven Geist der Zeit inspiriert. Das traf dann auch auf Hair (1979) zu, die Verfilmung des berühmten Hippie-Musicals.

Forman arbeitete in Amerika oft mit literarischen Vorlagen, so auch 1981 bei Ragtime (nach dem Roman von E.L. Doctorow) und bei Amadeus (1984), einer Adaption des Theaterhits von Peter Shaffer, die er in der Tschechoslowakei drehte. Er gewann dafür seinen zweiten Oscar nach Einer flog über das Kuckucksnest. Nach dem kontroversen Larry Flynt (1996, über den Begründer des Pornoimperiums Hustler) wurde es stiller um Forman. Er lebte zuletzt mit seiner dritten Ehefrau an der amerikanischen Ostküste. Am Freitag ist er im Alter von 86 Jahren gestorben. (Bert Rebhandl, 14.4.2018)

Die Filme von Milos Forman

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Forman gewinnt den Oscar für "Amadeus"

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Forman im Interview (2008)

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