Es ist ein ziemlich scharfes Messer, das Florian Frühauf da in seinen Händen hält. Angst haben müsse man aber nicht, wie er versichert. "Ich habe noch nie jemanden unabsichtlich geschnitten." Bevor der Mann mit Hipster-Bart, enger Jogginghose und Sneakers aber zu Messer und Schere greift, kommt der angenehme Teil – die Vorbereitung auf eine akkurate Bartrasur. "Lehnen Sie sich zurück, und machen Sie es sich bequem", sagt er und klappt sogleich den Sessel im Retrolook mit einem gekonnten Handgriff nach hinten. Die Liegeposition erinnert ein bisschen an den Besuch beim Zahnarzt – nur ohne Schmerzen und Bohrgeräusche.

Frühauf ist professioneller Barbier und beherrscht neben dem klassischen Männerhaarschnitt vor allem das Handwerk des Rasierens. Gelernt hat er das in Österreich, perfektioniert in England, wo Barber-Shops wesentlich etablierter sind als hierzulande. Doch die Anzahl an derlei Männerpflegesalons nimmt rasant zu, Barber-Shops schießen in größeren Städten nach wie vor wie Schwammerln aus dem Boden. Der gepflegte Mann von heute lässt sich aber nicht nur den Bart stutzen und die Haare schneiden, auch bei Hand- und Fußpflege begibt man sich gern in professionelle Hände.

Rasierpinsel und -messer gehören ebenso zur Grundausstattung eines Barber-Shops wie Chesterfieldsofas und Rum in der Vitrine.
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Weil das Gros der Kosmetikstudios vor allem auf weibliche Kundschaft abzielt, hat Werner Schindler einen eigenen Nagelpflegesalon nur für Männer in der Wiener Innenstadt eröffnet. Dunkle Steinwände, klobige Chesterfield-Ledersessel und eine Bar mit Whisky, Rum und Gin sollen dem Mann hier offenbar die Scheu vor dem noch unbekannten Terrain nehmen. Die Übung scheint gelungen, der Laden des Unternehmers, der eigentlich Innenarchitekt ist, läuft gut. "Ich hatte keine Ahnung von Kosmetik. Aber als ich das Konzept in München gesehen habe, wusste ich, das brauchen wir in Wien. Natürlich könnten wir auch einen Service für Damen anbieten, dann wären wir aber wieder einer von Hunderten Salons in Wien. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dieses Alleinstellungsmerkmal zu behalten", sagt Schindler.

Dunkle Wände, klobige Sessel: Nagel & Feile hat sich auf die Zielgruppe Männer spezialisiert.
Foto: Nagel & Feile GmbH

Die männliche Klientel scheint jenen Ort zu schätzen, an dem Frauen ausdrücklich unerwünscht sind. "Viele Männer arbeiten in Berufen, in denen sie gepflegte Hände haben müssen. Am Anfang sind manche Herren noch etwas zurückhaltend. Die meisten kommen aber wieder und kaufen sogar Pflegeprodukte für zu Hause", sagt Kosmetikerin Jeannine Strick.

Großer Markt

Dass der Markt an Männerpflegeprodukten vor allem für Kosmetikhersteller interessant ist, zeigen die Verkaufszahlen. 2016 haben Österreichs Männer rund 86 Millionen Euro für Pflegeprodukte ausgegeben – Tendenz steigend. Während Produkte für Frauen oft mit floralen Düften und verspielten Verpackungsdesigns locken, darf es für den Mann gern minimalistisch in der Anmutung und herb im Aroma sein. "Ein gepflegter Mann sieht gesund aus. Schöne Haut und ordentlich frisiertes Haar machen nicht nur etwas her, sondern heben auch die Stimmung und das Selbstbewusstsein", schreibt Captain Peabody Fawcett im gerade erschienenen Buch "Ein Mann – ein Bart".

Darin geht es neben der Kulturgeschichte des bärtigen Mannes auch um traditionelle Barber-Shops, an deren Türen sich nahezu ausnahmslos die berühmten rot-blau-weiß gestreiften Barber-Poles drehen. Diese wurden 1540 von Heinrich VIII. in Großbritannien angeordnet. Bis heute gelten sie als Symbol der Barber-Shops.

Verwöhnt werden

Eine Barber-Pole hängt auch vor dem Geschäft des noch jungen Barber-Shops in Wien-Hütteldorf, in dem Florian Frühauf beherzt zur Tat schreitet. Während aus den Boxen lauter Hip-Hop dröhnt, greift der Barbier zu einem Tiegel Preshave-Lotion, verteilt etwas von der Creme in seinen Händen und massiert sie sanft in den Bart ein. "Ist das so in Ordnung für Sie?", fragt er. "Ja, bitte hören Sie nie wieder damit auf", ist man geneigt zu sagen. Auch die heiße Gesichtskompresse, die dazu dient, die Poren zu öffnen, ist angenehm und wohlriechend. Erst nach dieser wichtigen wie entspannenden Prozedur wird mit einem dicken Pinsel der Rasierschaum auf die rauen Barstoppeln aufgetragen.

Was jetzt folgt, ist die Kür. Geschmeidig lässt der Barbier das Rasiermesser über die Borsten gleiten, die nur darauf zu warten scheinen, mit einem präzisen Schnitt abgesäbelt zu werden. Ruckartige Bewegungen sollte man tunlichst vermeiden. Die Empfehlung des Meisters: Entspannen und Genießen. "Der Besuch bei uns soll kein lästiger Termin sein, man soll sich darauf freuen, verwöhnt zu werden", sagt Geschäftsführer Mohamed Moustafa. Seine Barbiere müssen nicht nur perfekt Haare schneiden und Bärte rasieren, sie müssen sich vor allem Zeit für den Kunden nehmen.

Der erst vor einigen Monaten eröffnete Barber-Shop in Wien Penzing.
Foto: Barbershops M&M KG

Gerade zeigt ein junger Mann einem der Mitarbeiter ein Foto am Handy. So stelle er sich seinen Haarschnitt also vor. Der Barbier sieht sich das Foto an und weiß genau, was er zu tun hat. "Man muss bei uns sehr intensiv auf den Kunden eingehen. Das geht nicht im Schnellverfahren. Ein Manager einer großen Firma braucht einen anderen Haarschnitt als ein junger Student. Das muss vorher ausführlich besprochen werden, damit es zu keinen bösen Überraschungen kommt. Wahrscheinlich unterscheidet uns das von anderen Herrenfriseursalons, die manchmal aussehen wie Barber-Shops", sagt Moustafa.

Für Florian Frühauf stellt diese Art der Kundenbetreuung keine große Herausforderung dar. Im Gegenteil: Der Profi genießt den lockeren Umgang im Herrensalon. "Männer sind unkomplizierter im Umgang. Sie wissen, was geht und was nicht. Wer keinen Bartwuchs hat, dem kann ich keinen Vollbart schneiden." Mit Aussagen wie diesen sammelt man wahrscheinlich keine Sympathiepunkte bei Frauen, das ist aber auch nicht die Aufgabe des Barbiers. Er tut, was er am besten kann – Männern für einen kurzen Moment das Gefühl zu geben, besonders zu sein. (Alex Stranig, RONDO, 28.4.2018)