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Thierry Baudet bekommt mit seinen kalkulierten Tabubrüchen in den niederländischen Medien immer wieder eine Bühne.

Foto: REUTERS/Cris Toala Olivares

Als Arbeiter im vergangenen Juni einen schwarzen Konzertflügel unter Blitzlichtgewitter in das frisch bezogene Abgeordnetenbüro im Haager Parlament hievten, wähnte sich dessen Besitzer am Ziel. Thierry Baudet (35), Sohn einer Haarlemer Mittelstandsfamilie mit hugenottisch-französischen Wurzeln, studierter Historiker und Brahms-Liebhaber, beherrscht dieser Tage aber auch die polit-mediale Klaviatur besser als jeder andere niederländische Politiker. Trotz – oder gerade wegen – seiner mitunter rechtsradikalen Rhetorik.

In der Nachrichtensendung "EenVandaag" wurde er Ende Dezember per Journalistenvotum zum Branchenprimus gewählt. Seine Partei, das erst Ende 2016 gegründete Forum voor Democratie (FvD), hat inzwischen mehr als 20.000 Mitglieder und zwei der 100 Sitze in der Zweiten Kammer erobert. Dort macht Baudet, der seine Jungfernrede auf Latein begann, dem Platzhirsch am rechten Rand zunehmend zu schaffen. Umfragen sehen das FvD bereits bei 15 Sitzen – ein Aufstieg, der vor allem auf Kosten von Geert Wilders ging, der bei der Wahl 2017 zwar von dem rechtsliberalen Premier Mark Rutte ausgebremst, aber mit fast zwanzig Sitzen und 13,1 Prozent der Stimmen immerhin Zweiter wurde.

Vorbild Fortuyn

"Vielen Niederländern, die sich konservativ und nationalistisch fühlen, ist Wilders zu vulgär. Baudet spricht junge, gebildete Rechte an, Wilders bleibt der 'White Trash'", sagt Koen Vossen, Populismusforscher an der Universität Nijmegen. Sein dandyhaftes Äußeres und seine Eloquenz rufen zudem Erinnerungen an den Säulenheiligen der niederländischen Rechten wach. Sowohl Wilders als auch Baudet sehen sich als legitime Erben des 2002 ermordeten Pim Fortuyn, der offen schwul lebte und sich im Bentley fortbewegte. Während Wilders kein Hehl aus seiner Abneigung zu regieren macht, strebt der telegene Baudet, der sich erst als Zeitungskolumnist, dann als Wilders-Mitarbeiter verdingte, nach der Macht. "Niemand hält den Haager Mob auf, der das Land vor die Hunde gehen lässt. Darum muss ich das selber tun", sagte er 2017.

Nicht nur die Minderheiten in der Poldermonarchie betrachten das als Drohung. Während Wilders, der wasserstoffblonde Populist mit indonesischen Wurzeln, sich einzig und allein dem Kampf gegen den Islam verschrieben hat, den Koran verbieten und Moscheen schließen will, knüpft Baudet emsig Kontakte zur rechtsradikalen Internationalen.

"Starke Nation" zum Schutz

Prominentestes Beispiel: Jared Taylor, ein notorischer Rassist und Star der Alt-Right-Bewegung aus den USA, den Baudet, der mit einer Iranerin liiert ist, 2017 zum Essen traf. Die niederländische Gesellschaft werde durch den Zustrom von Flüchtlingen "homöopathisch verwässert", sagte er 2017, auch der Niedergang der römischen Hochkultur sei der Einwanderung geschuldet, schrieb er im Jahr davor. Europa leide an einer Autoimmunerkrankung, nur eine starke Nation könne ihre Bürger schützen – und dies gehe nur ohne die EU. "Er glaubt an den Kampf der Zivilisationen und daran, dass die Eliten in Europa schon seit den 60er-Jahren zu schwach seien, um die eigene Kultur zu schützen", sagt Vossen.

Die Medien in den traditionell konsensfixierten Niederlanden geben Baudet regelmäßig eine Bühne, auf der seine kalkulierten Tabubrüche Gehör finden. Nicht nur über Minderheiten – 2017 sah Baudet in der Aussage seines Amsterdamer Kandidaten, wonach Schwarze weniger intelligent seien als Weiße, "kein Problem" -, sondern auch über Frauen: Während er in seinem Parteiprogramm beteuert, nur die niederländische Kultur könne sie schützen, schwadronierte der Provokateur 2014 noch über Frauen, die es genössen, von ihren Sexpartnern "übermannt" zu werden. Baudets Ausritte haben freilich Methode. "Er versteht besser als alle anderen, worauf es in der Mediakratie ankommt", sagt Vossen. "Viele halten ihn für einen Rassisten oder einen schrecklichen Snob, aber das ist für ihn immer noch besser, als ignoriert zu werden." (Florian Niederndorfer, 19.4.2018)