Das geopolitische Umfeld für international agierende Unternehmen destabilisiert sich seit Monaten permanent. Damit gehen politische Risiken einher, die sich auf lokaler Ebene genauso finden wie auf globaler Ebene. Sanktionen sind ein klassischer politischer Risikofaktor, der Unternehmen direkt und indirekt treffen kann. Für eine exportorientierte Ökonomie wie Österreich, die mehr als die Hälfte ihrer Wirtschaftsleistung durch den Export generiert, eine ernste Situation.

Gegen Oligarchen und Firmen

Am 8. April hat die Trump-Administration neue Sanktionen gegen sieben russische Oligarchen, zwölf russische Unternehmen, 17 hochrangige Regierungsvertreter und zwei staatliche russische Unternehmen verhängt. Daraufhin haben nicht nur der Rubel und die Börse in Moskau nervös reagiert. Ebenso auf Talfahrt gingen die Aktienkurse zweier österreichischer Unternehmen, der Strabag und der Raiffeisenbank International (RBI). Auch der niederösterreichische Gewürzproduzent Kotanyi bekommt die Konsequenzen der Sanktionen durch den starken Verfall des Rubels zu spüren. Der schweizerische Rohstoffkonzern Glencore verspürte enormen Gegenwind, musste umgehend agieren und versprach, seine Kontakte mit russischen Partnern zu prüfen. Zudem legte Glencore-Chef Ivan Glasberg sein Verwaltungsratsmandat bei dem sanktionierten Unternehmen Rusal zurück. Durch die US-Sanktionen gegen Russland sind demnach bei weitem nicht nur US-amerikanische oder russische Unternehmen direkt betroffen, sondern auch eine Reihe europäischer Unternehmen, die substantielle personelle oder finanzielle Verflechtungen mit den Personen oder Unternehmen auf der Sanktionsliste unterhalten.

Wirtschaftliche Eiszeit herrscht mit den Sanktionen zwischen Russland und den USA.
Foto: APA/AFP/MLADEN ANTONOV

Warum sind österreichische Unternehmen betroffen?

Das Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministeriums hat mit dem Instrument der Sanktionen einen Hebel, der jedenfalls weiterreichende Konsequenzen hat, als auf den ersten Blick ersichtlich. Warum sind also Strabag, die RBI, Kotanyi oder Glencore betroffen? Erklären lässt sich das einerseits durch unmittelbare Konsequenzen der Sanktionen, und durch mittelbare Auswirkungen. Unmittelbare, direkte Effekte ergeben sich, wenn ein Unternehmen gezielt von den Sanktionsbestimmungen betroffen ist. Mittelbare oder indirekte Auswirkungen können sich ergeben, wenn etwa durch das Sanktionsregime die russische Wirtschaft schwächelt, und damit Umsatzrückgänge für österreichische Unternehmen zu erwarten sind, die ein starkes Russlandgeschäft aufweisen.

Oleg Deripaska, einer der einflussreichsten Oligarchen Russlands, ist mit 25,9 Prozent an der Strabag beteiligt. Deripaska ist auch ein prominenter Vertreter der neuen OFAC-Sanktionsliste. Mit den sanktionierten Personen und Unternehmen dürfen weder natürliche noch juristische US-Personen Geschäftsbeziehungen unterhalten. Aber die OFAC behält sich auch Schritte gegen nicht-US Personen vor, die "signifikante" Transaktionen mit den sanktionierten Individuen und Unternehmen durchführen. Und, da weltweit sämtliche Finanztransaktionen über US-Systeme abgewickelt werden, wird nahezu jeder Zahlungsverkehr von der OFAC als US-Geschäft gewertet.

Die RBI unterhält ebenso Geschäftsbeziehungen mit nun sanktionierten Personen, ebenso wie Glencore, deren Chef, Ivan Glasberg, auch Verwaltungsrat von Rusal war. Rusal gehört über die Holdinggesellschaft En+ Deripaska, weshalb auch Rusal und EN+ auf der Sanktionsliste zu finden sind. Doch auch indirekt sind die Unternehmen betroffen, denn die russische Ökonomie, die eben erst begonnen hatte, etwas Dynamik zu entwickeln, reagierte äußerst sensibel mit einem schwachen Rubel. Eine erneute wirtschaftliche Abschwächung würde die stark in Russland exponierten Unternehmen wie Strabag, RBI, Glencore, aber auch Kotanyi treffen.

USA gegen Russland

Die US-Administration will mit den neuen Sanktionen das Regime und diejenigen treffen, die von der Politik Putins am meisten profitieren. Begründet werden die neuen Sanktionen mit der zunehmend aggressiven Politik Russlands in der Ukraine und Syrien, aber auch mit der versuchten Einmischung Russlands in westliche Demokratien durch Cyberattacken.

Die Aktion der Trump-Regierung ist ein Schachzug gegen Putins Politik – und seinen Einfluss.
Foto: APA/AFP/SPUTNIK/MIKHAIL KLIMENTY

Sanktionen sind eine Durchsetzungsstrategie im Bereich internationaler Beziehungen. Von Staaten angewandte Strategien externer Einflussnahme auf das Verhalten anderer Staaten bewegen sich grundsätzlich in einem Spannungsbereich zwischen weichen und harten Maßnahmen. Während diplomatische Überzeugungsarbeit im Sinne der wiederholten Präsentation von Argumenten und nicht an Bedingungen geknüpfte Wirtschaftshilfen im Bereich der weichen Maßnahmen angesiedelt sind, nutzt der gerade von der EU und von Internationalen Finanzorganisationen gerne angewendete Mechanismus politischer und ökonomischer Anreize wirtschaftliche und finanzielle Zwangssituationen von Staaten aus. Beispiele aus der Vergangenheit sind die Griechenlandhilfen oder auch die Einforderung von Reformen als Bedingung für einen EU-Beitritt. Die härteste aller Maßnahmen ist zweifelsohne die militärische Intervention, doch auch ökonomische Sanktionen zählen zu den durchaus harten Strategien externer Einflussnahme. Androhung und Umsetzung von Sanktionen sind für den betroffenen Staat mit tatsächlichen und potentiellen Kosten verbunden. Mittels einer Kosten-Nutzen-Kalkulation soll dieser letztendlich zu Veränderungen der politischen und/oder ökonomischen Konstellation bewegt werden. Je breiter die Sanktionen angelegt sind und je größer die ökonomische Vormachtstellung des sanktionierenden Akteurs, desto größer sind die Kosten für diesen.

Globalisierung – und alle sind betroffen

Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen den Strategien externer Einflussnahme in den internationalen Beziehungen und politischen Risiken für Unternehmen? Unter politischem Risiko werden tatsächliche und potentielle Schäden für die operativen Tätigkeiten von Unternehmen verstanden, die vom Verlust von Geschäftschancen bis hin zum Verlust einer getätigten Investition reichen können, beispielsweise durch Enteignung oder Kriegseinwirkung. Mithin hält sich das politische Risiko bei den weichen Interventionsstrategien in Grenzen. Im Gegenteil, werden in dem betroffenen Land durch externe Einflussnahme Reformen initiiert, die häufig auch direkt oder indirekt auf eine Verbesserung der Businessenvironment zielen, oder werden Finanzhilfen in eine Volkswirtschaft geleitet, sehen sich international agierende Unternehmen in Regel auf der Seite der Profiteure. Als gegenteilig erweist sich die Situation jedoch im Hinblick auf harte Strategien.

Gerade die direkte militärische Konfrontation ist mit einer ganzen Bandbreite an Worst-Case-Szenarien für die in dem betreffenden Land operierenden Unternehmen verbunden. Doch auch mit Sanktionen gehen breite und in ihrer Auswirkung potentiell gravierende politische Risiken einher. Sanktionen sind eine wirtschafts- beziehungsweise finanzpolitische Waffe, die im Kontext von Wirtschaftskriegen zum Einsatz kommt. Unternehmen erleiden dabei mindestens einen Kollateralschaden, wenn sie nicht sogar instrumentalisiert werden und dabei als Zielscheibe dienen. Durch ein mangelndes politisches Risikomanagement schlecht ausgerüstet, ist dabei ihre Verwundbarkeit hoch. Grundsätzlich gilt: Im Zeichen globalisierter Handelsströme und hoher Interdependenzen kann von den globalen geopolitischen Auseinandersetzungen selbst das kleinste Familienunternehmen im noch so abgeschiedenen Teil Österreichs betroffen sein.

Raiffeisen, Kotanyi und Co sind von den Sanktionen betroffen.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Und in Zukunft?

Die von der OFAC administrierten Sanktionen gegen Russland sind bislang keine sonderlich breit angelegten Maßnahmen. Letztendlich handelt es sich weder um kollektive, vom UN-Sicherheitsrat verhängte Sanktionen, noch um umfassende Maßnahmen, welche eine vollständige Unterbrechung der Handelsbeziehungen zum Ziel hätten. Vielmehr ist von gezielten Sanktionen zu sprechen, welche auf die Führungselite Russlands und ihrer Günstlinge abzielen. Dennoch geht mit den Sanktionen ein hohes und zunehmend schwierig zu kalkulierendes politisches Risiko für Unternehmen einher. Zwar hat die OFAC zunächst einmal nur dann eine juristische Handhabe, wenn US-Personen beteiligt sind, etwa in der Form von Führungskräften in der Firma oder einer Niederlassung des betreffenden Unternehmens in den Vereinigten Staaten. Jedoch kommt die ökonomische Vormachtstellung der USA vorliegend vor allem dahingehend zum Tragen, dass weltweit sämtliche Finanztransaktionen über US-Systeme abgewickelt werden.

Unklar sind auch die zukünftigen Entwicklungen: Welche russischen Personen finden sich vielleicht schon im nächsten Schritt auf der Sanktionsliste? Wie wird sich die EU zukünftig verhalten? Werden vor diesem Hintergrund die Banken bei der Finanzierung von Russlandgeschäften zögerlicher? Vor dem Hintergrund der geopolitischen Dynamik in Syrien, des Falls Skripal in Großbritannien und der FBI Untersuchungen in den USA selbst, sind Unternehmen gut beraten, sich mit politischem Risikomanagement strategisch auf eine Intensivierung der Sanktionen vorzubereiten, als auf eine schnelle Entspannung der Situation und Aufhebung der Sanktionen zu hoffen. (Hannes Meißner, Johannes Leitner, 23.4.2018)

Hannes Meißner ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und Senior Researcher am Kompetenzzentrum Schwarzmeerregion an der FH des BFI Wien.

Johannes Leitner ist Leiter des Kompetenzzentrums Schwarzmeerregion an der FH des BFI Wien.

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