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Immer wieder vermuten Erben, dass der Erblasser durch eine Schenkung an jemand anderen ihnen ein Stück vom Erbe weggeschnitten hat.

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Für Juristen ist eine Themenstellung immer dann besonders herausfordernd, wenn mehrere Rechtsgebiete gleichzeitig für die Lösung der Rechtsfragen zu beachten sind. So ist das etwa im Stiftungsrecht der Fall, wenn das Erb- und Pflichtteilsrecht hineinspielt.

Mit einem solchen äußerst komplexen Fall hatte sich jüngst der Oberste Gerichtshof zu befassen und hat eine für die Praxis sehr bedeutsame Entscheidung getroffen (OGH, 22.3.2018, 2 Ob 98/17a): In dieser Entscheidung ging es (vereinfacht dargestellt) um eine Privatstiftung, die 1995 vom Vater und weiteren Familienangehörigen ("Mitstiftern") gegründet wurde. In diese Privatstiftung wurden vom Vater und einem Sohn (unter anderem) diverse Unternehmensanteile eingebracht.

2010 verstarb der Vater. Der Kläger (ein weiterer Sohn, der nicht Mitstifter war) machte Pflichtteilsansprüche geltend und brachte eine Klage unter anderem gegen die Privatstiftung und die mitstiftenden Familienmitglieder ein: Der Kläger brachte vor, sein Vater habe bereits zu Lebzeiten einen wesentlichen Teil seines Vermögens verschenkt, nämlich diverse Unternehmensbeteiligungen, und zwar an den mitstiftenden Bruder des Klägers, der als Nachfolger das Unternehmen führte.

Privatstiftung zur Umgehung des Pflichtteils?

Diese Schenkung sei zwar nicht direkt an diesen, sondern über das Vehikel der Privatstiftung erfolgt. Der Privatstiftung wurden – so der Kläger – die Unternehmensanteile nur deshalb zugewendet, weil man damit "formal" die Unternehmensanteile der Privatstiftung zuordnen wollte, um diese bei der Pflichtteilsberechnung nicht berücksichtigen zu müssen. Die Privatstiftung sei daher (nur) zur Umgehung des Pflichtteilsrechts gegründet worden, um das Vermögen formal bei der Stiftung anzusiedeln, wirtschaftlich sei das Vermögen des Vaters aber an den Sohn (und Mitstifter) "durchgeschleust" worden. Es geht also um die Frage, ob und, wenn ja, in welcher Form diese Unternehmensanteile, die im Eigentum der Privatstiftung stehen, bei einer Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen sind.

Erblasser sind nicht ganz frei

Exkurs zum Pflichtteilsrecht: Grundsätzlich ist jeder frei in seiner Entscheidung, was mit seinem Vermögen zu geschehen hat. Diese Freiheit gilt auch für die Frage des Verbleibs des Vermögens nach dem Tod ("Testierfreiheit"). Gewisse Schranken sind dabei allerdings zu beachten: Pflichtteilsberechtigten steht ein Mindestanteil am Wert des hinterlassenen Vermögens zu, wobei als Berechnungsgrundlage nicht nur jenes Vermögen zu berücksichtigen ist, das zum Zeitpunkt des Todes vorhanden ist, sondern auch jenes, das vor dem Tod verschenkt wurde. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht durch Schenkungen vor dem Tod die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch reduziert wird. Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte sind dabei zeitlich unbefristet zu berücksichtigen; Schenkungen an Nichtpflichtteilsberechtigte nur insoweit, als diese Schenkungen innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod erfolgten.

Die Privatstiftung ist nicht pflichtteilsberechtigt. Der OGH hatte daher zunächst die Frage zu beurteilen, wann die Zuwendung (Schenkung) der Unternehmensanteile an die Privatstiftung durch den verstorbenen Vater erfolgte, ob also die Zweijahresfrist zum Zeitpunkt des Todes des Vaters (2010) schon verstrichen war. Es kommt dabei nicht auf den Zeitpunkt der Einbringung der Unternehmensanteile in die Privatstiftung an (hier: 1995), sondern entscheidend ist, wann der verstorbene Vater (Erblasser) tatsächlich das "Vermögensopfer", also die "Schenkung" an die Privatstiftung, getätigt hat.

Die Grundsätze des OGH

Dazu stellte der OGH folgende Grundsätze auf:

Das Vermögensopfer ist jedenfalls dann nicht erbracht, wenn der Geschenkgeber die Schenkung rückgängig machen kann, was im Fall einer Privatstiftung dann der Fall wäre, wenn der Stifter die Möglichkeit hätte, die Privatstiftung zu widerrufen, was zu einer Auflösung der Stiftung und "Rückführung der Zuwendung" führen würde. Bloße Änderungsrechte (also Rechte des Stifters, nach Gründung der Stiftung die Stiftungserklärung zu ändern) haben keine "widerrufsgleiche Wirkung", sind also für die Frage, ob das Vermögensopfer tatsächlich erbracht wurde, nicht schädlich.

Bloße Änderungsrechte können daher dem Eintritt des Vermögensopfers nicht mehr entgegenstehen, wohl aber Änderungsrechte, die einem Dritten eingeräumt werden und dem Berechtigten den Zugriff auf die Erträge und auch auf einen Teil der Substanz ermöglichen, worin eine Zuwendung an den Änderungsberechtigten liegen könnte. Die bloße Möglichkeit eines Einflusses auf die Bestellung der Stiftungsorgane komme einem Widerrufsrecht ebenso wenig gleich. Eine Einflussnahme des Stifters auf die Bestellung der Stiftungsorgane ist also für die Frage des Vermögensopfers auch nicht schädlich. Umso weniger sind faktische – allenfalls familiär bedingte – Einflussmöglichkeiten relevant.

Im konkreten Fall hat sich der verstorbene Vater weder ein Widerrufsrecht noch ein umfassendes Nutzungsrecht vorbehalten. Das Änderungsrecht konnte der Erblasser seit 2005 nur mehr im Einvernehmen mit dem mitstiftenden Sohn ausüben. Damit konnte er nicht mehr allein auf das Stiftungsvermögen oder die Erträge zugreifen, womit das Vermögensopfer jedenfalls nach der Ansicht des OGH erbracht war; die Zweijahresfrist war daher verstrichen. Die Klage auf Zahlung gegen die Privatstiftung war daher nicht erfolgreich.

Vermögenswerte Rechtsstellung

Nicht abschließend beurteilen konnte der OGH hingegen die Frage, ob die Klage auf Zahlung gegen den mitstiftenden Bruder auch abzuweisen ist oder nicht: Der OGH hat nämlich auch ausgeführt, dass – aufgrund des wirtschaftlichen Schenkungsbegriffs – eine Schenkung auch darin liegen kann, dass der Erblasser dem Beschenkten eine vermögenswerte Rechtsstellung gegenüber einer von ihm dotierten juristischen Person einräumt, wenn und soweit ihm das aufgrund der Beherrschung dieser juristischen Person möglich ist.

Das könne – so der OGH – insbesondere bei einer Privatstiftung zutreffen, wenn der verstorbene Vater der Privatstiftung Vermögen zuwendet und schon in der Stiftungserklärung oder aufgrund eines Änderungsrechts eine Rechtsstellung des mitstiftenden Sohnes begründet, aufgrund derer die Organe der Privatstiftung nicht mehr frei über das vom Vater stammende Vermögen verfügen können. Dann läge im Umfang dieser Rechteeinräumung keine Zuwendung an die Privatstiftung (mehr) vor, sondern der betroffene Vermögenswert wäre für die Anwendung von § 785 ABGB aF gleich dem mitstiftenden Sohn zuzurechnen. In einem solchen Fall wäre – so der OGH – die Stiftung nur ein Instrument, um den Vermögenswert dem Sohn als dem "eigentlichen" Empfänger zukommen zu lassen.

Wirtschaftliche Betrachtungsweise

Eine solche Schenkung wäre aber – so der OGH – nur dann anzunehmen, wenn die Rechtsposition des mitstiftenden Sohnes einen Vermögenswert hat, wobei der OGH in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise gibt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form die Bewertung durch ein betriebswirtschaftliches Gutachten vorzunehmen wäre. Eine Schenkung an den mitstiftenden Sohn könnte etwa dann vorliegen, wenn sich dieser, der nach dem Ableben des Vaters das alleinige Änderungsrecht hatte, nach Änderung des Stiftungszwecks und Einflussnahme auf den Vorstand Vermögenswerte der Stiftung zuwenden könnte.

Der OGH nimmt damit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor, wie sie auch im neuen Erbrecht (Erbrechtsänderungsgesetz 2015) vorgesehen ist. Im fortgesetzten Verfahren wäre daher nun zu prüfen, ob die dem mitstiftenden Sohn eingeräumte Rechtsstellung einen Vermögenswert hat und, wenn ja, in welcher Höhe.

Das Stiftungsrecht bleibt daher weiterhin spannend – für die Praxis ergeben sich aber bereits aus dieser OGH-Entscheidung wichtige Anhaltspunkte dafür, wie Stiftungserklärungen im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht zu gestalten sind. (Daniela Huemer, 20.4.2018)