Indigene in Paraguay werden oft an den Rand gedrängt und leben benachteiligt in Armut.

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Er ist der erste Indigene, der in Paraguay bei den Wahlen am Sonntag einen Senatssitz erringen könnte: Architekt Gerónomia Ayala hat zusammen mit – auch nichtindigenen – Gleichgesinnten die Plurinationale Indigene Bewegung (MPIP) gegründet. Ihr Ziel ist nicht nur mehr Mitsprache und Respekt, sondern sie will auch ein Politikmodell etablieren, das dem Wettstreit zwischen der autoritär-konservativen Langzeitregierungspartei Colorado und den Linken etwas entgegenstellt.

STANDARD: Ihre Abschlussarbeit 2011 behandelte Sozialbauten für Indigene, weil die üblichen Betonhäuser nicht zum Klima passen. Wurde eines Ihrer Häuser gebaut?

Ayala: Ich durfte mein Projekt damals dem Finanzminister und dem Präsidenten Horacio Cartes vorstellen. Alle taten sehr angetan. Umgesetzt haben sie nichts.

STANDARD: Auch sonst werden die Indigenen in Paraguay missachtet und an den Rand gedrängt ...

Ayala: 80 Prozent leben in Armut, das heißt, sie haben keinen Zugang zu Bildung, zu Gesundheit, zu Trinkwasser, zu würdigem Wohnraum. Die meisten haben nicht einmal ordentliche Landtitel und können von einem Tag auf den nächsten vertrieben werden. So passierte es meinem Dorf, weil dort ein Staudamm gebaut wurde.

STANDARD: Was sind die wichtigsten Anliegen der MPIP?

Ayala: Das Wichtigste sind Landtitel für die Indigenen, gefolgt von Bildung und Gesundheit, und die Garantie ihrer Grundrechte. Das Leitmotiv dabei ist der Schutz der Umwelt, die durch das aktuelle Modell der Exportlandwirtschaft zerstört wird. Wir wollen Paraguay wieder massiv aufforsten.

STANDARD: Damit stellen Sie die Grundlagen des Exportwirtschaftsmodells infrage. Das wird vielen einflussreichen Leuten nicht passen. Haben Sie keine Angst?

Ayala: Nein. Ich weiß, dass es ein ehrgeiziges Projekt ist. Aber ich sehe die Firmenbosse und Großbauern nicht als Feinde. Ich will nur, dass es Raum und Rechte für alle gibt. Es geht uns um Harmonie, und gleiche Rechte.

STANDARD: Viele Institutionen funktionieren aber nicht, Paraguay ist eines der korruptesten Länder Südamerikas. Wie ändert man das?

Ayala: Ja, das ist eine Krankheit unserer Gesellschaft, und deswegen vertraut auch niemand mehr den Institutionen. Dagegen haben wir nur eine Chance, wenn wir alle an einem Strang ziehen und von den Behörden Transparenz einfordern. Die Korruption steckt tief in unserer Justiz, die als Erstes reformiert werden muss.

STANDARD: Stimmenkauf hat in Paraguay Tradition, die Traditionsparteien sind darin Meister. Die MPIP hingegen hat kaum Geld.

Ayala: Ja, leider verkaufen gerade unsere indigenen Brüder und Schwester ihre Stimme oft für ein Esspaket oder etwas Bargeld, einfach deshalb, weil die Not so groß ist. Ich werfe ihnen das gar nicht vor, erkläre ihnen aber, dass ihre Stimme viel mehr wert ist. Ich selbst habe von allen drei großen Parteien Angebote bekommen, zu ihnen zu gehen, aber das interessiert mich nicht, weil ich mich dann ihrem Diktat unterwerfen muss.

STANDARD: Wo verorten Sie sich? Ist die MPIP eher links oder rechts?

Ayala: Ich identifiziere mich mit keiner Partei. Wir sind nicht links, nicht rechts, sondern harmonisch. Der Respekt gegenüber der Natur und den anderen ist uns wichtig. Bei uns hat jeder Platz, der Dinge verändern und gleiche Rechte für alle will. Ideologien haben Paraguay nicht verändert, sondern nur Konflikte geschürt. Der Wandel kommt durch jeden Einzelnen, von innen heraus. (22.4.2018)