Vor etwa 510 Millionen Jahren verließen die ersten Pflanzen das Wasser, um allmählich die Landmassen zu erobern. Nun haben Forscher von der kanadischen Dalhousie University und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) streptophytischen Grünalgen, den engsten Vorläufern der Pflanzen, eine entscheidende Voraussetzung für den Landgang entdeckt: Sie besitzen bereits Stresssignalwege, die bisher nur bei Pflanzen bekannt waren und die das Überleben unter den Umweltbedingungen an Land erst ermöglichen.

Die Sauerstoffkonzentration der Erdatmosphäre hat sich im Verlauf von 4,5 Milliarden Jahren Erdgeschichte mehrfach und mit dramatischen Folgen geändert. Sie lag für einen Großteil der Erdgeschichte bei nur etwa 2 Prozent; bei dieser Konzentration kann nur mikroskopisches Leben existieren. Die heute gemessene Sauerstoffkonzentration von etwa 21 Prozent resultiert aus einem einmaligen Ereignis in der Evolution des Lebens auf unserem Planeten: dem Landgang der Pflanzen. Mit der Entstehung von Landpflanzen veränderte sich am Ende des Kambriums das Gesicht der Erde nachhaltig. Sie setzten über die Photosynthese große Mengen an Sauerstoff frei und ermöglichten damit komplexes Leben.

Zunahme der Stressfaktoren an Land

Damit Pflanzen den Schritt an Land erfolgreich gehen konnten, war der Umgang mit ungünstigen Umweltbedingungen – man spricht in der Biologie von Stressfaktoren – besonders wichtig. Nur so konnten die höhere und ungefilterte Lichtintensität sowie die größeren Temperaturschwankungen außerhalb des Wassers bewältigt werden. Eine Arbeitsgruppe an der Dalhousie University im kanadischen Halifax um Jan de Vries hat zusammen mit Sven Gould vom Institut für molekulare Evolution der HHU den Umgang mit diesen Stressfaktoren genauer untersucht. Vor allem interessierte sie, wann sich die hierfür nötigen Regulationsmechanismen evolutionär bildeten. Dazu konzentrierten sie sich auf jene Gene, die bei Starklicht und Kälte aktiviert sind.

Sie fanden heraus, dass nicht erst Landpflanzen, sondern bereits ihre nächsten Verwandten, die streptophytischen Grünalgen, über viele der entsprechenden Fähigkeiten verfügten. Die Landpflanzen mussten diese Fähigkeiten also nicht erst selbst entwickeln. Bei der Sternalge Zygnema circumcarinatum fanden die Forscher sogar einen potenziellen Rezeptor für das klassische pflanzliche Stresshormon Abscisinsäure. An diesen Rezeptor koppelt die Abscisinsäure und setzt damit die pflanzliche Stressantwort in Gang.

Gut vorbereitet

Die jetzt in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlichten Ergebnisse basieren auf einer Hochdurchsatzanalyse globaler Genexpressionen in mehreren jener Grünalgen, welche den Landpflanzen evolutionär am nächsten sind. Hiermit werden alle Gene bestimmt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt – also zum Beispiel während Lichtbestrahlung oder Kälte – in der Zelle aktiv sind. Hierbei fanden die Forscher auch die Gene, die der Stressantwort von Landpflanzen dienlich sind. "Unsere Studie verändert das Bild, wie die frühesten Landpflanzen mit Stress umgingen", so Gould. "Sie waren vor dem Sprung aufs Trockene bereits gut von ihren Ahnen, den Grünalgen, vorbereitet worden", ergänzt de Vries. (red, 20.4.2018)