Budapest – Die in Ungarn zunehmend unter Druck stehende Stiftung des ungarischstämmigen US-Milliardärs George Soros erwägt, ihr Personal aus Budapest abzuziehen und möglicherweise nach Berlin zu verlagern. In einer Mitteilung der Open Society Foundation (OSF) hieß es am Freitag, es gebe "verschiedene Optionen", sollten die Aktivitäten der Stiftung in Ungarn zu sehr behindert werden.

Die Sicherheit des Personals sei von "vorrangiger Bedeutung". Die Organisation wolle das geplante ungarische "Stop-Soros"-Gesetzespaket abwarten, bevor sie über einen Wegzug aus Budapest entscheidet, sagte OSF-Sprecher Csaba Csontos der Nachrichtenagentur Reuters.

Zuvor hatte die "Presse" unter Berufung auf die OSF-Zentrale in New York berichtet, dass das OSF-Büro in Budapest einen Umzug nach Berlin vorhabe. Csontos wollte am Freitag gegenüber Reuters nicht bestätigen, dass die OSF Ungarn definitiv verlassen will.

Gudenus: "Stichhaltige Gerüchte"

FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus kann der Anti-Soros-Kampagne des rechtskonservativen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban einiges abgewinnen. Es gebe "stichhaltige Gerüchte", wonach Soros daran beteiligt sei, "Migrantenströme nach Europa zu unterstützen", sagte Gudenus gegenüber der "Presse" (Samstagsausgabe).

So habe Soros etwa einige NGOs finanziert, die "für die Massenmigration nach Europa mitverantwortlich" sind. Gefragt nach Beweisen für seine Behauptung sagte Gudenus: "Ich habe von stichhaltigen, sich verdichtenden Gerüchten gesprochen." Er glaube nicht, dass "die Massenimmigration nach Europa zufällig in dem Ausmaß passiert" sei. Soros sei da einer der möglichen Akteure. "Es gibt auch diverse Papiere in der EU, die zeigen, dass das stattfinden soll", so Gudenus. Der US-Milliardär spiele aus seiner Sicht jedenfalls "eine fragwürdige Rolle". Er habe "mit viel Kapitalmacht versucht, alle möglichen Umwälzungstendenzen in Osteuropa zu finanzieren".

Orban behauptete im abgelaufenen Parlamentswahlkampf unter anderem, Soros würde von außen eine "Masseneinwanderung" in die EU steuern. Die Angriffe auf Soros wurden in Ungarn auch nach dem Wahlsieg von Orbans Fidesz-Partei am 8. April fortgesetzt. Die Wochenzeitung "Figyelö" veröffentlichte vor kurzem eine Liste mit 200 Personen, die sie als "Soros-Söldner" bezeichnete. Darunter befand sich auch der österreichische Politikwissenschafter Anton Pelinka, der an der von Soros initiierten Central Europe University (CEU) unterrichtet.

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban sagte unterdessen, er werde keine "Krokodilstränen" vergießen, wenn die Stiftung Budapest verlassen sollte. Orban unterstützte zugleich die Initiative der ihm nahestehenden Zeitung "Figyelö". Diese hatte vergangene Woche auf zwei Seiten eine Liste mit den Namen von rund 200 Beschäftigten von Nichtregierungsorganisationen, Lehrkräften an der von Soros gegründeten Budapester Central European University (CEU) – darunter den österreichischen Politikwissenschafter Anton Pelinka – und Journalisten veröffentlicht. Diese wurden als Teil des "Soros-Netzwerks" bezeichnet.

Orban sagte in einem Radiointerview, er ermutige insbesondere die Presseleute, so viele Fakten über Netzwerke wie möglich publik zu machen. Es müsse aufgedeckt werden, "wer wer ist, wer Einfluss hat und wer wen bezahlt". Die Veröffentlichung der Namensliste mit dem Titel "Die Leute des Spekulanten" hatte im In- und Ausland für Kritik gesorgt.

Der 87-jährige liberale Financier Soros, der seit Jahrzehnten weltweit Nichtregierungsorganisationen unterstützt, ist derzeit das öffentliche Hauptfeindbild der rechtsnationalen ungarischen Regierung. Diese wirft ihm vor, die massenhafte Ansiedlung von Migranten in Europa zu beabsichtigen ("Soros-Plan"). Das geplante ungarische Gesetzespaket nennt sich daher ganz offiziell "Stop-Soros-Paket".

Das aus drei Gesetzen bestehende Konvolut soll die Rechte von NGOs einschränken, denen die Regierung vorwirft, die "illegale Migration zu unterstützen". So müssen sie sich registrieren lassen, Sonderabgaben leisten und Mitarbeiter können ohne Gerichtsurteil, nur aufgrund einer Anordnung des Innenministers, von Ungarn ferngehalten werden. Das Paket ist eine direkte Fortsetzung eines Gesetzes aus dem Vorjahr, laut dem NGOs sich als "aus dem Ausland unterstützte Organisation" deklarieren müssen, wenn sie in größerem Ausmaß ausländische Spenden erhalten.

Bei der Parlamentswahl am 8. April hatte Ungarns Regierungspartei Fidesz erneut eine Zwei-Drittel-Mehrheit errungen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um das "Stop-Soros"-Paket ohne Absprache mit der Opposition im Parlament durchbringen zu können.

Orban fährt einen nationalistischen und einwanderungsfeindlichen Kurs. Kritiker werfen ihm vor, mit Eingriffen in das Justizsystem sowie der Beschneidung von Presse- und Meinungsfreiheit rechtsstaatliche Grundsätze auszuhebeln. Mit der EU-Kommission liegt er deswegen und wegen seiner Ablehnung einer Umverteilung von Flüchtlingen im Dauerclinch. (APA, AFP, 20.4.2018)