Manchmal ist das Leben ein Glücksspiel. Du bereitest dich vor auf den Einsatz in Kapstadt, ein Flug noch von Wien nach München, dann auf der Direttissima ins Land der Dürre und der guten Hoffnung, ans winters sturmumtoste Kap. Zur erstmaligen Begegnung mit der Neuauflage des Designschmuckstücks A7, zur Landpartie um den Tafelberg. Allein, kleiner arktischer Wintergruß: Schneesturm in München, keine Chance, dorthin und auf die Kapstadt-Maschine zu kommen. Erst will man uns drei über Addis Abeba umleiten, dann über Frankfurt. Yest' problema, würden die Russen sagen, Houston, we have a problem, die Amis, weil nämlich: Nur zwei Plätze in der Maschine vorhanden. Schließlich entscheidet das Los, sorry, Wolfgang, hätte jeden treffen können, Glücksspiel eben ...
Das Schönste am A7 Sportback war dann gleich einmal das Klima. Nicht dass Audi die elegante Fließhecklimousine jetzt aufschneiden und zum Cabrio machen würde, nein, es ist nur fein, am Veranstaltungsort endlich der heimischen Eiszeit entronnen zu sein und bei 20, 25 Grad Außentemperatur wieder ganz Mensch sein zu können.
Was das mit dem Auto zu tun hat? Nun, in dem kann man auch ganz Mensch sein, egal ob fahraktiv oder mitfahrend – wenngleich man hinten, wie sich später herausstellt, die Zehen schwer unter die Vordersitze kriegt; da muss man die Vor(n)sitzende respektive den Vor(n)sitzenden schon höflich ersuchen, den Sitz eventuell etwas höher zu stellen. Verflixt, jetzt ist dort die Coupé-Position des Flachsitzers in Gefahr; Audi betont doch weiterhin ständig, dies sei ein Coupé mit vier Türen. Wir meinen: Fließheck. Geschenkt, wer will sich schon über solche Kleinigkeiten echauffieren, die einem beim Chauffierenlassen unterkommen. Einigen wir uns auf den Kompromiss Gran Turismo. Wer partout hinten sitzen will, ist ohnehin mit dem A8 besser beraten.
Wie es scheint, ist die Präsentationsadresse auch symbolisch treffsicher gewählt. Waren die Indienfahrer weiland erst so weit gekommen, bestand gute Hoffnung – deshalb das gleichnamige Kap -, es bis ans geplante Ziel, das Reichtümer versprechende Indien, zu gelangen. Für Audi ist der A7 ein Coupé, ein Coup der guten Hoffnung, weil nämlich: Nach dem A8 ist dies der zweite Beitrag von Chefdesigner Marc Lichte. Mit ihm soll endlich die höchst überfällige Bewegung ins Design kommen, sollen in der Folge neue Reichtümer in die Audi-Kassen gelangen. Fast schon eine Generation zu spät, sieht man sich das Brot-und-Butter-Auto A4 an. Technisch toll, aber dermaßen ein Langweiler, dass Audi liebe Not hat, ihn der Klientel anzudienen.
Erster Blick, zweiter Blick
Beim A8 hatte Lichte noch nicht viel Entfaltungsmöglichkeiten, bei so einem Flaggschiff will die Kundschaft etwas Konservatives. Hier sieht es schon anders aus, da darf, da soll der Ästhet sich verwirklichen. Und jetzt wirkt zwar die Front altgewohnt, aber eben nur auf den ersten Blick. Sieht man genauer hin, merkt man, die Dinge sind im Fluss. Breiter, tief liegender, kantiger Hexagonalgrill, darunter zieht sich dezent die Spoilerlippe, links und rechts markante Lufteinlässe. In den eleganten Seitenkorpus leiten die Scheinwerfereinheiten über, wem das Geld wurscht ist: Für 3521 Euro gibt's sogar HD-Matrix-LEDs mit Laserlicht. Damit kann man zwar noch nicht Darth Vader mit dem Laserschwert bekämpfen, aber nächtens enorm weit scharf sehen. Und wirft Ihnen ein Astronom Lichtsmog vor: ignorieren. Die Venus bleibt schließlich immer noch gut sichtbar ... Die eigentliche Schokoseite ist natürlich das Heck, mit seinem durchgehenden Lichtband und dem bei 120 km/h elektrisch ausfahrenden Spoiler.
Apropos ausfahren: Das tun wir jetzt einfach mal, runter nach Muizenberg vulgo Mäuseberg, in die Valsbaai, die falsche Bucht, so benannt, weil ein holländischer Skipper sich einstens auf der Suche nach der Tafelbucht verkoffert hatte. Verkoffern kann mit dem A7 nicht passieren, er hat das gesamte Hightechsupervernetzungsüberallhinfindpaket in Black-Panel-Optik, das erstmals im A8 zum Einsatz kam. Über dieses imposante, auf zwei Ebenen unterteilte Mäusekino kann man notfalls eine Marine-Spezialeinheit rufen, sollte man den weißen Haien nach einer der in der Valsbaai auftretenden Monsterwellen zu nahe gekommen sein.
Die Motoren
Zum Auftakt gibt's den A7 mit zwei V6-Maschinen, einem 3,0 TFSI (340 PS) mit Doppelkupplungsgetriebe und einem 3,0 TDI (286 PS) mit Wandlerautomatik – beide mit 48-Volt-Hauptbordnetz, Lithium-Ionen-Batterie und Riemen-Starter-Generator, beide demzufolge mild-hybridisiert. Das Hightechpaket bewirkt hie einen Normverbrauch von 6,8 l / 100 km, da einen von 5,5. Weitere Motoren folgen.
Im Fahrbetrieb gibt sich der Otto erwartungsgemäß souverän, doch wirkt das Stimmchen etwas dünn. Man muss kein Prophet sein für die Prognose, dass Audi sich hinsichtlich Motorsoundeskalation Spielraum offenlässt in Richtung S7 und RS7. Dass die Ingolstädter ein mehr als passables Fahrwerk hinbekommen, mit breiter Spreizung zwischen superkomfortabel und knochentrocken, durfte man voraussetzen. Dass der A7 mit aktiver Hinterradlenkung auch im Kurvenreich eine blendende, weil wendige Figur macht, sei noch extra erwähnt. Ebenso der Umstand, dass das mit der Dürre in Südafrika den Einheimischen zufolge medial enorm aufgebauscht war und wenn, dann nur die Kapprovinz selbst beträfe. Trotzdem sorgsam mit Wasser umzugehen, wie im Hotel empfohlen, schadet aber nicht.
So. Und jetzt gondeln wir noch den Tafelberg rauf. Kurz nachsehen, ob die Kontinentaldrift Antarktika nicht inzwischen hochgespült hat gen Kap, rasch Gudrun und Enrico fotografieren, dann ab nach Hause. Leider nicht im A7. (Andreas Stockinger, 28.4.2018)