Egon Schieles "Sitzender weiblicher Rückenakt mit rotem Rock" soll einst in der Sammlung Grünbaum beheimatet gewesen sein. 1955 erwarb Erich Lederer dieses Aquarell bei der Galerie Kornfeld (Bern), 1988 kam es über eine Schenkung seiner Witwe Elisabeth Lederer in den Bestand der Albertina.


Foto: Albertina

Wien – Die Causa Fritz Grünbaum beschäftigt Museumsdirektoren, Provenienzforscher und Juristen seit 20 Jahren. Im Zentrum ist weniger das persönliche Schicksal des Kabarettisten und seiner Ehefrau Lilly – er kam 1941 in Dachau um, sie wurde 1942 in Maly Trostinec ermordet – als deren Kunstsammlung.

Wie kaum ein anderer Fall steht dieser für ein Geschäftsmodell, bei dem Erben von Profis unterstützt werden, die Stundenlöhne von 300 Dollar und Provisionen von 20 Prozent der Erlöse kassieren. Deren Methoden sind zulässig. Sie zielen auf Profit ab, der über Restitutionen, wie die aktuell von einem New Yorker Gericht verordnete (der STANDARD berichtete), anschließenden Verkauf oder Vergleiche erzielt wird.

Die Grünbaum-Sammlung umfasste einst mehr als 400 Werke, davon rund 80 von Egon Schiele: fünf Gemälde, 55 Aquarelle und 20 Bleistiftzeichnungen, die teils nur über alte Kataloge identifiziert werden können. Theoretisch geht es um einen Gesamtwert, der 500 Millionen Euro überschreiten dürfte. Ein Motiv für die Hartnäckigkeit der Erben allemal. Praktisch handelt es sich laut Provenienzforscher jedoch um keinen Restitutionsfall. Nach Jahren akribischer Rekonstruktion fand sich kein Hinweis für eine Entziehung.

Tatsächlich war die Verwertung der Sammlung nach 1945 über ein Familienmitglied erfolgt. Konkret über Lillys Schwester, die von 1952 bis 1956 an und über den Schweizer Kunsthändler Eberhard Kornfeld (Bern) Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen aus dem einstigen Besitz ihres Schwagers verkaufte.

Von dort gelangten sie teils direkt, über weitere Verkäufe oder Tauschgeschäfte in Sammlungen wie jene von Rudolf Leopold oder in den Bestand der Albertina. Die damit in Österreich befassten Kommissionen sahen auf Basis der vorliegenden Fakten sowohl 2010 (Leopold Museum) als auch 2015 (Albertina) von einer Rückgabe ab. Eine Einschätzung, die die Erben auf die Barrikaden treibt.

Aus deren Perspektive wäre es ohne das NS-Regime anders verlaufen, womit eindeutig ein Tatbestand der Entziehung vorläge. An dieser Front kämpft seit 1998 auch der Wiener Genealoge Herbert Gruber und die Hörner Bank (Heilbronn). Deren Beharrlichkeit ist finanziellen Interessen geschuldet. Zusammen hat man Anspruch auf 33 Prozent vom Wert des Erbes: ein Drittel vom Verkauf jedes Kunstwerks, dem eine Einigung mit Vorbesitzern vorausgeht. Kurzerhand meldet man bei einschlägigen Datenbanken alle Werke, die je in einem Zusammenhang mit dieser Provenienz standen. All das gerät nun im Verdacht, Raubkunst zu sein, deren Besitzer stehen am digitalen Pranger. Etwa Private, deren Eigentum unverkäuflich ist, es sei denn, sie einigen sich mit den Erben. "85 Prozent solcher Verfahren enden in einem Vergleich", erklärt Gruber.

Gegen solch erpresserische Methoden wollen sich vor allem Kunsthändler zu Wehr setzen. Etwa Richard Nagy (London), der im November 2015 eine Sicherstellung zweier Aquarelle in New York provozierte, um eine endgültige Klärung zu erwirken. Diese Werke waren vermutlich, aber laut Nagy eben nicht nachweislich im Besitz Grünbaums. Sie wurden 1978 bzw. 2004 von Sotheby's versteigert, vielfach öffentlich gezeigt, ohne dass je Ansprüche geltend gemacht wurden.

Für das New Yorker Gericht war dies nicht von Belang, auch die am österreichischen Kunstrückgabegesetz orientierten Beschlüsse nicht. In erster Instanz setzten sich die Erben durch. Deren Anwalt kündigte bereits eine Versteigerung via Christie's an. Wann diese erfolgen soll, steht in den Sternen, da Nagy in Berufung geht. In Österreich will sich dazu keiner offiziell äußern. (Olga Kronsteiner, 20.4.2018)