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Gab am vergangenen Mittwoch vorgezogene Wahlen bekannt: der türkische Staatschef Tayyip Erdoğan.

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Die Türkei hat sich aufgrund ihrer regionalpolitischen Interessen sowie simplizistischen Einschätzung der Entwicklungen im Syrien-Krieg in eine schwierige politische Situation manövriert und muss die Interessenpolitik Moskaus und Washingtons zeitgleich bedienen. Ein erneuter Giftgasangriff und die noch ausstehende Klärung des Vorfalls zeigen, dass die Türkei derzeit aus paradoxen politischen Handlungen anderer Akteure ihren Vorteil zieht. Moskau und Washington können sich nicht über die Rolle sowie Zukunft des syrischen Diktators einigen, und das eröffnet der AKP einen außen- und innenpolitischen Aktionsraum, den sie zur Besetzung und Zerschlagung kurdischer Organisationen auf dem Territorium Syriens nützt. Dazu ist sie auch bereit, jihadistische Kämpfer in ihre Reihen aufzunehmen. Dieses Vorgehen steigert ihre Popularität in der Türkei und lässt sie somit unantastbar werden.

Abhängigkeit von den USA

Moskau hat bereits mehrfach signalisiert, dass die Türkei die von ihr besetzte Region in Syrien an das Regime in Damaskus abgeben soll. Dazu wird es in nächster Zeit nicht kommen. Das türkische Zögern ist nicht Folge der eigenen politischen und militärischen Stärke, sondern der Abhängigkeit vom amerikanischen Bündnispartner. Obwohl es derzeit nicht gut um die amerikanisch-türkischen Beziehungen steht, hält Washington am wichtigen geostrategischen Partner fest. Das kommt Ankara wahrscheinlich auch sehr gelegen.

Denn Fakt ist: Ein Rückzug der USA aus Syrien hätte für die Türkei weitreichende Folgen. Denn das würde zu einer direkten Abhängigkeit von Moskau und in weiterer Folge zur Schwächung der eigenen Position führen. Bereits jetzt ist zu sehen, dass die Türkei auf Druck von Moskau zunehmend von ihrer anfangs kompromisslosen Politik gegen Bashar al-Assad abrückt und zu Zugeständnissen gegenüber dem syrischen Regime bereit ist.

Opportunistische Politik

Die geänderte Syrien-Strategie der Türkei ist auch ein Kennzeichen für die opportunistische Politik Ankaras. Tayyip Erdoğans Ziel ist es, die Kontroversen zwischen Russland und den USA zu nutzen und die Türkei als Stabilisator der Region dazustellen. Nicht zuletzt deswegen verwendet Erdoğan eine neoosmanische Sprache und behauptet, dass alle Völker in Syrien und im Irak vor nicht allzu langer Zeit in Frieden unter osmanischer Herrschaft gelebt hätten. Damit möchte der türkische Präsident die Kurdenpolitik der USA und Russlands infrage stellen. Eine erfolgreiche Minderheitenpolitik im Irak und in Syrien müsse sich am türkischen Standard orientieren, um Erfolg zu haben, so Erdoğan. Gleichzeitig suggeriert Ankara damit, dass die Bewaffnung und Unterstützung kurdischer Gruppen zur Erlangung einer territorialen Souveränität de facto zu einer Destabilisierung der Region führt. Dieses Vorgehen macht noch einmal deutlich, dass die Türkei Moskau und Washington die Lösung der Kurdenfrage nicht zutraut.

Das militärische Eingreifen der Türkei in Syrien dürfte dabei auch innenpolitische Gründe haben. So erhofft sich die AKP, dass das harte Vorgehen gegen kurdische Verbände in der Bevölkerung positiv aufgenommen wird und die Position der Partei stärkt. Ein Indiz dafür ist, dass Erdoğan kürzlich frühzeitige Neuwahlen angekündigt hat. Gerade die Militäroperationen in Afrin und weiteren Regionen in Syrien haben die Popularität der AKP erheblich gesteigert, was sich letztendlich auch im Wahlergebnis widerspiegeln könnte. (Hüseyin I. Çiçek, 24.4.2018)