Die Wohnsituation hat sich in den vier Jahrzehnten verändert. Früher gab es Mehrbettzimmer, heute können die Frauen Einzelzimmer bewohnen bzw. mit ihren Kindern ein Zimmer teilen. Darin gibt es auch eine kleine Küchezeile und ein Badezimmer.

Foto: Verein Wiener Frauenhäuser / Volkskundemuseum Wien

Es sind keine Zahlen oder Statistiken und auch keine der altbekannten Fakten über Gewalt gegen Frauen, die man schon so oft gehört und gelesen hat. Stattdessen erzählen Alltagsgegenstände wie eine Tasse, ein T-Shirt oder ein Tagebuch die jüngere Geschichte dieser Gewalt und die jener Einrichtungen und Mitarbeiterinnen, die Frauen und Kindern seit Jahrzehnten Schutz und Hilfe bieten.

Vor 40 Jahren, am 27. April 1978, wurde der Verein "Soziale Hilfen für gefährdete Frauen" gegründet und gut sechs Monate später das erste Frauenhaus in Wien. Es war schnell voll belegt, und der Bedarf ist auch Jahrzehnte später nicht geringer geworden. Es ist also ein zeitloses Thema, dem sich das Volkskundemuseum zusammen mit den Frauenhäusern Wien widmet. Ab morgen, Freitag, können Besucherinnen und Besucher dort von Gewalt betroffene Frauen ein Stück begleiten, von der Flucht aus den für sie gefährlichen eigenen vier Wänden bis zum Gang vor Gericht.

Kuratorin Anne Wanner wollte durch die Konzeption der Ausstellung mit der Distanz der Besucherinnen und Besucher brechen. Sie sollten nicht das Gefühl haben, "dass das alles nichts mit mir zu tun hat, dass mir das sowieso nicht passiert". Dass sich auch Bewohnerinnen von Frauenhäusern eigentlich alles ganz anders vorgestellt hatten, deutet schon der Titel der Ausstellung an: "Am Anfang war ich sehr verliebt ..." .

Objekte statt Opferstatus

Wie eine Liebe enden kann, entgegen allen Wünschen und Hoffnungen, davon erzählt in der Ausstellung etwa ein abgegriffenes Tagebuch. Die Besitzerin führte darin recht genau Buch über ihre Fernbeziehung, die zu Beginn noch voller zärtlicher Liebesbekundungen per SMS war, die sie sorgfältig dokumentierte. Nach und nach kippt der Ton, der Freund wird aggressiver, in der nächsten Nachricht rudert er wieder mit großem Entschuldigungspathos zurück, bis die Einträge zum Zeitpunkt der Eskalation ganz aufhören. Gegenstände wie dieser, die die Frauen ins Frauenhaus mitbrachten, fungieren in der Ausstellung als "Schauobjekte": Sie sind Vermittler zwischen den nüchternen Zahlen, die alle kennen, aber niemanden mehr schockieren, und den Frauen selbst, denen so die Fortschreibung eines Opferstatus erspart bleibt.

"Wie stellt man Gewalt aus, ohne sie zur Schau zu stellen?", das war für Anne Wanner eine der wichtigsten Fragen rund um die Ausstellung. Sie war in allen Wiener Frauenhäusern und bat dort die Frauen um Gegenstände, die für ihre Gewaltgeschichte oder ihre Zeit im Frauenhaus stehen, erzählt Wanner bei einem Rundgang durch die Ausstellung. "Wir wollten mit diesen Gegenständen eine Ebene einbauen, die die Geschichten der Frauen in einen Kontext stellen", sagt Wanner.

Auch Dinge von Mitarbeiterinnen kamen in den Kellern und Archiven zum Vorschein und zeugen von dem Spagat, den diese meistern: In einem alten Adressbuch klebt etwa die Visitenkarte eines Ministers direkt über der eines Installateurs.

Ein schwerer Schritt

Mit einem sehr umfangreichen Bestand persönlicher Gegenstände gelingt es der Schau, vor allem den nötigen Mut und die Tatkraft in den Vordergrund zu stellen, die der Gang ins Frauenhaus erfordert, wie auch ein T-Shirt illustriert: Eine Frau trug es, als sie mit ihrem Kind nach schwerer Misshandlung und Morddrohung in einen Park floh, von wo aus sie sich Hilfe organisierte und am nächsten Tag in ein Frauenhaus zog – noch immer in demselben T-Shirt.

Ein Gefühl für den schweren Schritt in ein Frauenhaus vermittelt die atmosphärische, aber nie voyeuristische Ausstellung mit einer nachgebauten Sicherheitsschleuse, wie es sie in jedem Frauenhaus gibt. Das Schloss hinter der ersten Tür wird hörbar verriegelt, man steht in einem kleinen Zwischenraum, von einer Kamera beobachtet. Von oben sind leise Eindrücke von Frauen zu hören, als sie in einer echten Sicherheitsschleuse standen, "wie in einem Gefängnis", sagt eine, aber zumindest "sicher". Ein Wort, das an dieser Stelle immer wieder fällt. (beaha, 26.4.2018)