Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un kommen bei ihrem Gipfeltreffen am Freitag an der Demarkationslinie zwischen beiden Ländern zusammen. Moon werde Kim an den Betonblöcken treffen, welche die Grenze zwischen beiden Staaten in der entmilitarisierten Zone darstellt, teilte Moons Büro am Donnerstag mit.

Wenn Kim die Linie übertritt, wird er der erste nordkoreanische Machthaber seit Kriegsende vor 65 Jahren sein, der südkoreanischen Boden betritt. Doch was wollen Nordkorea und Südkorea bei dem Treffen erreichen?


ATOMBOMBEN

SÜDKOREA

Wenn es um Nordkoreas Atombombenarsenal geht, hat Seoul zwei große Ziele: Die Gefahr für das eigene Land zu minimieren, das ist das eine. Fast noch wichtiger ist aber das zweite: Südkorea will die USA unbedingt glauben machen, dass von Pjöngjang keine Gefahr für das amerikanische Festland ausgeht. Kommen die USA zur gegenteiligen Überzeugung, meint Seoul, könnte das Krieg bedeuten, dessen Leidtragender man wäre.

NORDKOREA

Auch für Nordkorea gibt es mehrere Ziele: Die Abrüstung darf nicht so weit gehen, dass das Abschreckungspotenzial sinkt – denn dann muss das Regime wegen äußerer Gefahren um sein Leben bangen. Sorge muss Kim Jong-un aber auch vor der Innenwirkung haben: Jahrelang hat er seine hungrigen Bürger glauben gemacht, dass ihr Überleben von der teuren Nuklearbewaffnung abhängt. Sie nun einfach aufzugeben wird schwierig.


RAKETEN

SÜDKOREA

Zwischen zwei Stühlen sitzt Südkorea auch, was die Raketen im Norden betrifft: Aus Gründen der eigenen Sicherheit muss man Kim in jedem Fall überzeugen, seine Langstreckenraketen abzugeben – denn auch diese könnten für die USA zum Kriegsgrund werden, wenn Washington meint, dass sie Atombomben bis zur Westküste bringen können. Zugleich weiß Seoul, dass man dem Norden Gesichtswahrung erlauben muss.

NORDKOREA

Und das hat seine Gründe: Die Raketen sind für Nordkoreas innere wie äußere Propaganda nicht weniger wichtig als die Atombomben, immer wieder wurden sie bei Militärparaden gezeigt. Zuletzt sind sie allerdings aus dem Pjöngjanger TV-Programm verschwunden, schreibt die BBC. Zumindest jene, mit denen er Südkorea und Japan erreichen kann, wird Kim aus Abschreckungsgründen aber behalten wollen, sind Analysten sicher.


SANKTIONEN

SÜDKOREA

Ein ideologischer Freund von großem Druck ist Südkoreas Präsident Moon Jae-in nicht – und instinktiv würde er die Sanktionen gegen Nordkorea wohl möglichst deutlich abschwächen und der dortigen Bevölkerung helfen wollen. Allerdings hat Seoul gesehen: Die Trump-Strategie des "maximalen Drucks und maximalen Verhandelns" hat Früchte getragen. Allzu weit kann es Pjöngjang also schnell nicht entgegenkommen.

NORDKOREA

Für Nordkorea sind sie wohl der entscheidende Punkt: Kim Jong-un hat seine Annäherungspolitik mit der Byungjin-Strategie begründet, die neben der militärischen Aufrüstung die Wirtschaftsentwicklung als zentrale Säule sieht. Das geht nur dann, wenn die harten Sanktionen westlicher Staaten und Chinas seiner Regierung bald wieder mehr Luft zum Atmen lassen – dafür scheint er zu einigen Zugeständnissen bereit zu sein.


HANDEL

SÜDKOREA

Immer wieder hatten sich in der Sonderwirtschaftszone Kaesong Krisen abgespielt, bis Südkoreas damalige Präsidentin Park Geun-hye das Projekt ihrer liberalen Vorgänger 2016 schließen ließ. Ihr liberaler Nachfolger Moon könnte daran interessiert sein, den Industriepark, in dem Nordkoreaner für südkoreanische Unternehmen arbeiten, wiederzueröffnen. Zudem könnte es – limitierte – Hilfslieferungen in den Norden geben.

NORDKOREA

Für Kim Jong-un ist vor allem wichtig, dass sein Land überhaupt wieder Handel treiben kann. Dazu zählt, dass es für die nordkoreanischen Gastarbeiter in China, Russland und anderen Staaten eine Lösung gibt. Südkorea hat in dieser Frage nicht das entscheidende Wort. Finden Kim und Moon aber eine Paketlösung aus mehreren Punkten, könnten sie diese der internationalen Gemeinschaft vorschlagen.

FRIEDEN

SÜDKOREA

Seoul verhandelt mit Nordkorea zwar dem Vernehmen nach nun über einen Friedensvertrag, allein in der Hand hat Südkorea diesen aber nicht. Das Land hat den Waffenstillstand von 1953 (anders als die UN-Truppen bzw. USA, China und Nordkorea) nicht unterzeichnet. Ohne die Signatarmächte kann dieser wohl nicht in einen Frieden umgewandelt werden. Doch es gilt wie schon beim Handel: Ein Deal hätte symbolisches Gewicht.

NORDKOREA

Wichtiger als ein symbolischer Friedensvertrag ist für Pjöngjang ein anderes Symbol, das damit einhergehen müsste: die internationale Anerkennung. Bisher haben etwa die USA dem kommunistischen Staat diese verweigert. Sollte ein Frieden unterzeichnet werden, wäre das für Pjöngjang also ein Schritt zu jenem Zustand, den Kim sich offenbar dringend wünscht: dass sein Land so behandelt wird wie andere auch.

(Manuel Escher, 25.4.2018)