Schon 1997 kämpften Aktivistinnen (im Bild: Sandra Cervik, Eva Rossmann, Käthe Kratz, Elfriede Hammerl, Christine Nöstlinger) für frauenpolitische Fortschritte. 2018 gibt es wieder ein Frauenvolksbegehren, das Probleme von damals thematisiert. Das Geld für Frauenpolitik ist damals wie heute knapp.

Foto: Christian Fischer

"Wir sehen uns – ausgehungert und unterfinanziert und trotzdem erfolgreich im Oktober", schreibt Schifteh Hashemi, eine der Sprecherinnen des Frauenvolksbegehrens 2.0 auf Twitter. Nach vielen Monaten an Kampagnen- und Vernetzungsarbeit hätten die AktivistInnen das Volksbegehren gerne im Juni durchgeführt – Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte andere Pläne. Die Eintragungswoche im Oktober, die sowohl für das Frauenvolksbegehren als auch für das Don't-smoke-Begehren gilt, spare dem Steuerzahler enorm viel Geld, so die Argumentation des Ministers.

Das Frauenvolksbegehren-Team bringt diese Verzögerung an die Belastungsgrenzen. "Die Arbeit, die wir machen, kostet Geld", sagt Projektleiterin Lena Jäger. In den kommenden Monaten wird daher erneut um Spenden geworben, bisher konnte das Frauenvolksbegehren bereits 200.000 Euro lukrieren.

Ausgehungert und unterfinanziert sehen die AkivistInnen aber nicht nur ihre eigene Arbeit, sondern auch jene der Frauenministerin. 10,17 Millionen Euro jährlich werden Juliane Bogner-Strauß 2018 und 2019 zur Verfügung stehen, angesichts der für 2018 veranschlagten Ausgaben von 78,5 Milliarden ein äußerst überschaubarer Betrag. 2017 waren es noch 10,65 Millionen Euro – ermöglicht durch eine vom Nationalrat beschlossene Überschreitungsermächtigung. "Wir haben uns wahnsinnig darüber geärgert, dass den Frauenagenden nicht mehr Geld zugesprochen, sondern das Budget sogar noch gekürzt wird", so Jäger im Gespräch mit dem STANDARD.

Investitionen in den Gewaltschutz

Kritik am Frauenbudget wurde nicht nur von verschiedenen Frauenorganisationen, sondern auch von Oppositionsvertreterinnen geübt. Claudia Gamon (Neos), Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Stephanie Cox (Liste Pilz) brachten einen Entschließungsantrag ein, in dem sie eine Erhöhung der budgetären Mittel für den Ausbau von Maßnahmen zur Gewaltprävention und Gewaltschutz forderten. Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte bereits die Allianz "Gewaltfrei leben" fehlende Mittel für Gleichstellungs- und Gewaltschutzmaßnahmen kritisiert.

Allein 210 Millionen Euro bräuchte es, um langfristig volkswirtschaftliche Kosten von geschlechtsspezifischer Gewalt reduzieren zu können, so die Expertinnen. "Die angestellte Rechnung ist für uns nicht nachvollziehbar. Mit dem beschlossenen Budget können wir, ohne neue Schulden zu machen und ohne neue Steuern einzuführen, das Betreuungsangebot absichern. Natürlich ist es der Bundesministerin ein großes Anliegen, die Empfehlung des Europarats umzusetzen und auch effektiven Gewaltschutz inklusive Ausbau der Präventionsarbeit zu leisten", heißt es dazu aus dem Büro von Bogner-Strauß.

Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, verweist auf den GREVIO-Bericht, der die Umsetzung der Istanbul-Konvention – die Österreich 2013 ratifizierte – evaluiert: "Wir haben in Österreich im Bereich des Gewaltschutzes viel geleistet, das bescheinigt der Bericht. Dennoch gibt es zahlreiche Lücken in der Versorgung der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder."

Die von Frauenministerin Bogner-Strauß angekündigten 100 zusätzlichen Betreuungsplätze für gewaltbetroffene Frauen seien ein positiver Schritt, Sicherheit für Frauen und Mädchen sei aber nicht durch Einzelmaßnahmen zu erreichen – dafür brauche es einen umfassenden nationalen Aktionsplan. Und auch Kampagnen wünscht sich die Gewaltschutzexpertin von der Frauenministerin. "Denken wir nur an die Sicherheit im Straßenverkehr, hier wurden durch große, langfristige Kampagnen gegen Schnellfahren und Alkohol am Steuer nachhaltige Erfolge erzielt. Solche Bewusstseinsarbeit fehlt im Bereich Gewalt völlig."

Klaffende Lohnschere

Vergleichbare Kampagnen gab es auch unter der Vorgängerregierung nicht. Das Frauenressort wanderte unter SP-Führung von einem Ministerium ins nächste, die Forderung nach einem eigenständigen Ministerium mit ausreichenden finanziellen Mitteln blieb ungehört. Ein eigenständiges Frauenministerium fordert nun auch das Frauenvolksbegehren 2.0. "Ganz einfach: Länder, die in der Gleichberechtigung weiter fortgeschritten sind, sind auch zukunftsfähiger", sagt Lena Jäger.

Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung hat Österreich in verschiedenen Bereichen – insbesondere bei der Schließung der Lohnschere. Entsprechend scharf kritisierte Gabriele Heinisch-Hosek, ehemalige SP-Frauenministerin, fehlende Zielvorgaben im Budget – womit sich die Regierung von einer der wichtigsten Aufgaben der Frauenpolitik verabschiedet habe. Der Budgetdienst des Parlaments gab Heinisch-Hosek zumindest indirekt recht. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit sei nach wie vor "ein großes Anliegen der Bundesministerin", heißt es dazu aus dem Büro der Frauenministerin auf eine Anfrage des STANDARD. "Die Kennzahl des Gender Pay Gap ist nach wie vor in der UG 16 vorgesehen und wird von der Bundesregierung daher weiterhin ernsthaft verfolgt."

Nägel mit Köpfen

Auch wenn geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in den vergangenen Jahren verringert werden konnten – die Schere schließt sich nur langsam, Österreich zählt zu den Schlusslichtern in der EU. 2008 betrug der Gender Pay Gap auf Basis der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste 25,1 Prozent, 2015 waren es 21,7 Prozent. Heinisch-Hosek installierte in ihrer Amtszeit unter anderem einen Lohn- und Gehaltsrechner, der für mehr Transparenz sorgen sollte, die ab 2011 schrittweise eingeführten verpflichtenden Einkommensberichte für Unternehmen blieben aufgrund fehlender Sanktionsmöglichkeiten zahnlos.

Um den Gender Pay Gap tatsächlich zu schließen, brauche es ein umfassendes Maßnahmenbündel, ist Alyssa Schneebaum überzeugt, die im Department für Volkswirtschaftslehre der Wiener Wirtschaftsuniversität geforscht hat. "Besonders problematisch ist es, dass es in Österreich nicht überall kostenlose Ganztagskinderbetreuung gibt. Wie soll eine Frau Vollzeit arbeiten, wenn der Kindergarten nur bis 12 Uhr mittags geöffnet ist?", fragt Schneebaum. Fast jede zweite Frau arbeitet in Österreich mittlerweile in Teilzeit, die Zuständigkeit für unbezahlte Familienarbeit ist nach wie vor weiblich.

Aber auch in Sachen Einkommenstransparenz gebe es großen Nachholbedarf, sagt Schneebaum: "Island hat hier mit einem neuen Gesetz einen mutigen Schritt gemacht. Dieses Modell könnte auch ein Vorbild für Österreich sein." Der isländische Equal Pay Act nimmt Unternehmen ab 25 MitarbeiterInnen in die Pflicht, bis 2022 soll die Lohnschere geschlossen werden, so das ehrgeizige Ziel.

Lena Jäger und Andrea Hladky vom Frauenvolksbegehren setzen diesbezüglich wenig Hoffnung in die türkis-blaue Regierung. "Vor allem bei der Kinderbetreuung befürchte ich sogar Rückschritte", sagt Hladky. Gegen den befürchteten Backlash wollen die AktivistInnen auch weiterhin aktionistisch ankämpfen. Nachdem Innenminister Kickl die Eintragungswoche für das Volksbegehren entgegen dem Wunschtermin der Initiatorinnen in den Oktober gelegt hat, bleibt ihnen dafür vorerst mehr Zeit, als ihnen lieb ist. (Brigitte Theißl, 29.4.2018)